Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit für Lieferungen an sowjetische Truppen
Leitsatz (redaktionell)
Lieferungen an sowjetische Truppen, die in Deutschland stationiert sind, sind für einen Unternehmer dann nicht von der Umsatzsteuer befreit, wenn dieser im Rahmen eines Reihengeschäfts mit seiner Lieferung lediglich seine vertragliche Lieferverpflichtung gegenüber einem inländischen Zwischenhändler erfüllt.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 2, § 4 Nr. 1, § 6
Tatbestand
Im Rahmen einer Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1994 bei der Firmengruppe ... wurde neben der ... (Klägerin) auch die in 1990 erworbene Firma B (nachfolgend B) geprüft. Zwischen diesen beiden Firmen besteht seit dem 1. Januar 1991 umsatzsteuerliche Organschaft; Organträger ist die Klägerin und Organgesellschaft die Firma B.
Bei der Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Firma B Lieferungen an die Firma G in Höhe von ... DM (VZ 1991) und ... DM (VZ 1992) erbracht hatte, für die sie die Steuerfreiheit nach Artikel 16 Abs. 4 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthaltes und die Modalitäten des planmäßigen Abzuges der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (nachfolgend AAV - vgl. BGBl II 1991 Seite 258) in Anspruch genommen hat.
Dabei hat G auf Grund von Lieferungen der amtlichen Beschaffungsstelle der sowjetischen Streitkräfte die von B gekauften Waren an die Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte (WGS) weiterveräußert, wobei B die Spirituosen aus ihrem Steuerlager im zollamtlichen Ausfuhrverfahren direkt an die W geliefert hat. B hat diese „W-Lieferungen“ ohne Brandweinsteuer und Umsatzsteuer der G in Rechnung gestellt. Auf den Rechnungskopien wurden als Lieferanschrift diverse Militärhandelsmissionen (MHM) im Beitrittsgebiet unter Angabe verschiedener Nummern und zum Teil ohne Nummern angegeben.
Die Außenprüfung hat in dem Bp-Bericht vom 27. März 1997 hierzu in Tnr. 6.01 den Standpunkt vertreten, dass eine Steuerbefreiung gem. Art. 16 Abs. 4 AAV bereits deshalb nicht in Betracht komme, weil keine Aufträge einer amtlichen Beschaffungsstelle der W an B vorlägen. Des Weiteren fehlten Abwicklungsscheine und die Bestätigung des Zahlungsweges durch die W.
Ausgehend von diesen Feststellungen behandelte der Beklagte die Lieferungen in Höhe von ... DM (1991) und in Höhe von ... DM (1992) als steuerpflichtige Lieferungen. Er erließ am 13. August 1997 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1991 und 1992.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 1999) die vorliegende Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass Direktlieferungen der B an die W nach Artikel 16 Abs. 4 AAV von der Umsatzsteuer befreit seien. Nach dieser Vorschrift seien Lieferungen an die W von einer amtlichen Beschaffungsstelle in Auftrag gegeben, umsatzsteuerfrei, ohne dass dort die Rede davon sei, dass steuerbefreiter Lieferant nur der Vertragspartner der W sein könne. Artikel 16 Abs. 4 AAV wolle demgemäß ganz offensichtlich nicht einen bestimmten Unternehmer in einer Lieferkette steuerlich begünstigen, sondern den Gebrauch und Verbrauch verbrauchsteuerpflichtiger Waren durch sowjetische Truppen einschließlich ihrer Mitglieder und Familienangehörigen.
Die fraglichen Lieferungen seien im Rahmen eines Reihengeschäftes im Sinne von § 3 Abs. 2 UStG in seiner damaligen Fassung erfolgt. Dementsprechend habe neben der G auch die B eine steuerfreie Ausfuhrlieferung im Sinne des § 4 Nr. 1 i. V. m. § 6 UStG getätigt. Nach Abschnitt 135 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) könnten mit der Versendung des Gegenstandes der Lieferung in das Außengebiet durch den ersten Unternehmer oder den letzten außergebietlichen Abnehmer zugleich mehrere Ausfuhrlieferungen bewirkt werden.
Die Rechtsgrundsätze eines Reihengeschäftes bei steuerfreien Ausfuhrlieferungen im Sinne des § 4 Abs. 1 i. V. m. § 6 UStG seien auf Artikel 16 Abs. 4 AAV sinngemäß anzuwenden. Dementsprechend könne B die Steuerfreiheit ebenfalls in Anspruch nehmen.
Die formellen Voraussetzungen, insbesondere das Erfordernis der unbaren Zahlungen sowie die Dokumentation der Lieferungen anhand von ordnungsgemäß ausgeführten Abwicklungsscheinen seien ebenfalls als erfüllt anzusehen. Die in den Abwicklungsscheinen enthaltenen Angaben könnten durch andere Aufzeichnungen und Belege leicht und eindeutig nachgewiesen werden. Auf das Erfordernis der unbaren Zahlungen sei bis zum 1. März 1991 verzichtet worden. Dem entsprechenden BMF-Schreiben vom 3. März 1993 (BStBl I 1993 Seite 289), komme auch über dieses Datum aus Gründen des allgemeinen Rechtsschutzes Bedeutung zu.
Auch habe die Finanzverwaltung selbst zu erkennen gegeben, dass sie von einer Auslandslieferung ausgehe. Die den Lieferungen zu Grunde liegenden Versandscheine T1 wiesen als Bestimmungsland die (ehemalige) Sowjetunion aus; die Spirituosen, mit dem steuerrechtlichen ...