Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Anerkennung von Vermögensübergabe- und Versorgungsverträgen zwischen nahen Angehörigen
Leitsatz (amtlich)
Die steuerliche Anerkennung von Vermögensübergabe- und Versorgungsverträgen zwischen nahen Angehörigen setzt voraus, dass der Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen, der die Qualifikation als Versorgungsvertrag erst ermöglicht, klar und eindeutig vereinbart wird.
Normenkette
EStG a.F. § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a; BGB a.F. § 313; ZPO § 323
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob eine steuerlich zu berücksichtigende dauernde Last vorliegt und ob die Voraussetzungen für eine Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide erfüllt sind.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger übt eine selbständige Tätigkeit als Arzt aus; die Klägerin ist in dessen Arztpraxis nichtselbständig beschäftigt.
Mit notariellem Vertrag vom 22. Juli 1988 (vgl. Bl. 131 ff./Rb-Akte 1983 bis 1993) übergab Herr X der Klägerin, seiner Tochter, das in Y belegene Grundstück …-Straße …, auf dem ein Wohngebäude mit 29 Mietwohnungen errichtet ist, zum Alleineigentum. Im Gegenzug übernahm die Klägerin, die sich bereit erklärte, den Erwerb auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht anzurechnen, im Zusammenhang mit dem Grundstück bestehende Verbindlichkeiten ihres Vaters in Höhe von 3.800.000,00 DM. In einem notariellen Nachtrag vom 28. März 1990 zum Übergabevertrag (vgl. Bl. 150 ff./Rb-Akte 1983 bis 1993) verpflichtete sich die Klägerin, an ihre Eltern ab dem 1. Januar 1990 einen monatlichen Betrag von 6.000,00 DM auf Lebenszeit zu zahlen. In der Urkunde wird ausgeführt, dass die Beteiligten die Zahlungsverpflichtung bereits bei Beurkundung des Übergabevertrags mündlich vereinbart hätten. Sie seien der Auffassung gewesen, dass die Absprache nicht beurkundungsbedürftig sei, und hätten die Vereinbarung von Anfang an eingehalten und durchgeführt. Darüber hinaus wurde in der Nachtragsurkunde vereinbart, dass die Beteiligten eine Abänderung der Höhe der Zahlungsverpflichtung in entsprechender Anwendung des§ 323 Zivilprozessordnung -ZPO- verlangen könnten, sofern durch eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der standesgemäße Unterhalt der Zahlungsverpflichteten oder der Berechtigten nicht mehr gewährleistet ist oder eine Änderung der Geschäftsgrundlage eintritt. Ebenso wurde festgehalten, dass der als dauernde Last jeweils zu zahlende Betrag wertbeständig sein soll.
Im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1993 teilte der frühere Bevollmächtigte der Kläger, Herr Steuerberater M, dem Beklagten am 14. März 1995 mit, dass die Klägerin ausweislich dreier Kontoauszüge aus den Jahren 1988 und 1990 ab 1. Oktober 1988 monatlich 3.500,00 DM und ab 1. Mai 1990 monatlich 6.000,00 DM an ihren Vater gezahlt habe. Später seien die monatlichen Zahlungen wieder auf 3.500,00 DM zurückgeführt worden (vgl. Bl. 157 f./Rb-Akte 1983 bis 1993).
In einer Verkehrswertermittlung vom 31. März 1995 (vgl. Bl. 170 ff./Rb-Akte 1983 bis 1993) gelangte der Bausachverständige des Beklagten zu dem Ergebnis, dass der Verkehrswert des von der Klägerin übernommenen Grundstücks unter Berücksichtigung aller bekannt gewordenen wertbeeinflussenden Umstände zum 22. Juli 1988 insgesamt 3.885.000,00 DM beträgt.
Die Kläger reichten am 15. Februar und 16. Juli 1996 Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1994 und 1995 ein. In den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre sowie für 1997 und 1998, die letztmals am 30. November 2000 (1994), 2. Januar 2001 (1995 und 1996), 27. August 1999 (1997) und 2. Oktober 2000 (1998) geändert wurden, erkannte der Beklagte ebenso wenig wie in den Einkommensteuerbescheiden für 1999 und 2000 vom 29. November 2001 und 7. August 2003 die als dauernde Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Einkommensteuergesetz -EStG- geltend gemachten monatlichen Zahlungen der Klägerin als Sonderausgaben an.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 (Bl. 1 ff. ESt-Akten 1997 - 2000/Antrag auf Änderung) beantragten die Kläger beim Beklagten, die Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1998 nach § 164 bzw. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- zu ändern. Zur Begründung führten sie aus, dass es sich bei den monatlichen Zahlungen der Klägerin um eine dauernde Last handele. Die Gesamtherstellungskosten des übernommenen Objekts hätten 4.949.984,59 DM betragen. Im Zeitraum von der Bezugsfertigkeit bis zur Übertragung des Grundstücks auf die Klägerin dürfte der Wert des Objekts noch gestiegen sein; angesichts der Preisentwicklung von Immobilien im Wohngebiet der … Ende der 80er Jahre habe er sich jedenfalls nicht verringert. Es sei daher nicht von einer entgeltlichen Grundstücksübertragung auszugehen. Vielmehr sei eine teilentgeltliche Übertragung erfolgt, die ein sog. "Typus 2"-Objekt im Sinne des BMF-Schreibens vom 23. Dezember 1996 (BStBl I, 1508) betreffe, da der Wert...