Kommentar
Jahr für Jahr verlieren leichtgläubige Anleger auf dem grauen Kapitalmarkt Vermögen in Millionenhöhe. Eine der spektakulärsten Fälle des letzten Jahrzehnts war die Ambros S.A., die fast 1 Mrd. DM eingesammelt hatte. In der Anfangsphase hat die Firma, die mit den Kundengeldern an US-Börsen spekulierte, tatsächlich Gewinne erzielt. Bei dem Börsencrash im Oktober 1987 ging das gesamte Kapital verloren. Später gelang es den Initiatoren wieder, vorübergehend Gewinne zu erzielen. Ab Mitte 1988 häuften sich die Verluste. Im Schneeballsystem zahlte die Firma die von ihr fälschlich ausgewiesenen Gewinne und die gelegentlich verlangten Kapitalrückzahlungen aus den neu eingehenden Kundengeldern. Bis September 1990 wurden sämtliche Auszahlungsanträge prompt bedient. Anfang 1991 brach das System zusammen, als die Ambros S.A. fällige Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte. Das Konkursverfahren wurde mangels Masse eingestellt. Die Anleger, die nicht rechtzeitig gekündigt hatten, verloren ihr gesamtes Guthaben ( Kapitaleinkünfte ).
Das Vertragsverhältnis zwischen den Anlegern und der Ambros S.A. wertet der BFH als eine typische
stille Gesellschaft , weil die Ambros S.A. mit den Kundengeldern auf gemeinsame Rechnung Börsengeschäfte tätigen sollte. Wegen der Vielzahl dieser mit Gewinnabsicht durchgeführten Geschäfte war die Tätigkeit der Ambros S.A. als gewerblich anzusehen. Die Anleger erzielen als typische stille Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen . Das gilt in erster Linie für diejenigen Anleger, die sich die Kapitalerträge laufend haben auszahlen lassen. Die Ambros S.A. hat diese Beträge als Gewinnanteil der stillen Gesellschafter gezahlt. Für die steuerliche Behandlung ist unbeachtlich, daß die rechnerisch ausgewiesenen Beträge überhöht waren, daß den Anlegern also ein Anspruch auf die ausgewiesenen „Gewinnanteile” gar nicht zustand. Steuerpflichtige Erträge liegen auch insoweit vor, als die Anleger sich die rechnerisch ausgewiesenen Renditen nicht auszahlen ließen, sondern sie der Gesellschaft sofort als weiteres Kapital zur Erhöhung ihrer stillen Gesellschaftseinlage zur Verfügung gestellt haben. Die Gesellschaft schuldete diese Beträge anschließend nicht mehr als Gewinnanteil, sondern als Kapitaleinlage. In dieser Änderung der schuldrechtlichen Beziehungen, der sogenannten Novation, liegt ein Zufluß, wenn der Schuldner zahlungsfähig und zahlungswillig war und die Umwandlung von Gewinnanteil in Kapitaleinlage im Interesse des Anlegers durchgeführt wurde. Als zahlungsfähig in diesem Sinne war die Gesellschaft anzusehen, solange sie die sofort zu erfüllenden Verbindlichkeiten bestreiten konnte. Insoweit ist nicht erforderlich, daß sie bei Kündigung sämtlicher Gesellschafter sämtliche Forderungen hätte erfüllen können ( Kapitalanlagen-ABC ).
Nach dem Vertrag hatten die Anleger Verluste aus dem Börsengeschäft anteilig zu tragen. Dem Grundsatz nach käme also bei den Anlegern der Abzug eines Verlustes aus der typischen stillen Beteiligung in Frage. Mögliche Verluste in den Jahren 1989 und 1990 können jedoch nicht berücksichtigt werden. Dazu wäre erforderlich, daß diese Verluste durch Gewinnfeststellungen für die Ambros S.A. oder durch entsprechende Schätzungen des zuständigen Finanzamts festgestellt worden wären. Außerdem kann ein Verlust erst berücksichtigt werden, wenn der Verlustanteil von der Kapitaleinlage des Klägers abgebucht worden ist. Soweit die Guthaben der Anleger nicht durch laufende Verluste der Ambros S.A., sondern durch das betrügerische Verhalten und durch den Konkurs der Firma verlorengegangen sind, liegt darin ein steuerlich unbeachtlicher Verlust auf der privaten Vermögensebene vor.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.07.1997, VIII R 57/95
Anmerkung: Der BFH hat trotz der im Aussetzungsverfahren aufgetretenen Zweifel die härteste denkbare Entscheidung getroffen. Das Gesetz hätte auch die Auslegung zugelassen, daß nur tatsächliche Erträge des Kapitalvermögens zu versteuern sind und nicht auch Beträge, die lediglich zum Zweck der Täuschung ausgezahlt bzw. gutgeschrieben worden sind. Auf schwerwiegende rechtliche Bedenken stößt aber vor allem die Auffassung des BFH, den Anlegern könnten die anteiligen Verluste aus den Börsengeschäften der Ambros S.A., die sie nach den vertraglichen Regelungen zu tragen hatten und tatsächlich im Ergebnis auch tragen mußten, steuerlich in den Streitjahren nicht zugerechnet werden. Der BFH verweist insoweit auf frühere Rechtsprechung. Diese Rechtsprechung hat jedoch Kritik erfahren; sie findet weder im Wortlaut noch im Sinn der gesetzlichen Bestimmungen eine Stütze. Die Ausführungen des BFH lassen jedoch die Möglichkeit offen, daß diese Verluste in späteren Jahren berücksichtigt werden können. Allerdings müssen insoweit die Erfolgsaussichten doch als eher bescheiden eingestuft werden.
Im Einzelfall kann ein Erlaß wegen persönlicher Härte in Frage kommen, falls der Anleger durch den Verlust seines Vermögens und die jetzt geforderten Steuerzahlungen ...