Leitsatz

Im Fall der Verschmelzung von zwei Kapitalgesellschaften tritt der übernehmende Rechtsträger (Organträger) hinsichtlich des Merkmals der finanziellen Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) auch dann nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, wenn der umwandlungssteuerliche Übertragungsstichtag nicht auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird (Bestätigung und Fortentwicklung der Senatsurteile vom 28.07.2010 ‐ I R 89/09, BFHE 230, 408, BStBl II 2011, 528 und I R 111/09, BFH/NV 2011, 67, sog. Fußstapfentheorie).

 

Normenkette

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, § 12 Abs. 3, § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006

 

Sachverhalt

Das Wirtschaftsjahr der im Jahr 2005 gegründeten Klägerin, einer GmbH, entsprach im Streitjahr dem Kalenderjahr. Ihre Alleingesellschafterin war die A‐GmbH alt, mit der sie am …11.2008 einen "Gewinnabführungs- und Verlustübernahmevertrag" (EAV) geschlossen hatte.

Mit Verschmelzungsvertrag vom …8.2012 wurde die A‐GmbH alt auf die am …8.2012 gegründete B-GmbH verschmolzen, die noch am gleichen Tag in A‐GmbH neu umfirmierte. Steuerlicher Übertragungsstichtag der Verschmelzung war der 30.12.2011. Die A‐GmbH neu hatte ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1.12. bis zum 30.11. Für das Jahr 2012 bildete sie ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 30.12.2011 bis zum 30.11.2012.

Die Klägerin ging in ihren Steuererklärungen für das Streitjahr von einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft zwischen ihr als Organgesellschaft und der A‐GmbH neu als Organträgerin aus und erklärte ein zu versteuerndes Einkommen von 0 EUR. Dagegen gingen die Finanzbehörden für das Streitjahr von einer "Organschaftslücke" aus, da die Klägerin vom 1.1.2011 bis zum 30.12.2011 in die A‐GmbH alt und erst anschließend in die A‐GmbH neu finanziell eingegliedert gewesen sei. In dem für das Streitjahr gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheid wurde die KSt auf … EUR festgesetzt. Ein Einspruch blieb erfolglos.

Das FG gab der Klage gegen den aus anderen Gründen während des Klageverfahrens geänderten KSt-Bescheid statt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.8.2020, 1 K 1585/15, Haufe-Index 14243196).

 

Entscheidung

Der BFH hat die vom FA eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Es handelt sich um eine Parallelentscheidung zu dem in diesem Heft besprochenen "Pilot-Urteil" des BFH zum Aktenzeichen I R 21/20. Es kann daher weitgehend auf die dortigen Erläuterungen Bezug genommen werden. Ergänzend wird auf das im vorherigen Beitrag besprochene BFH-Urteil zum Aktenzeichen I R 36/20 verwiesen.

2. Die Besprechungsentscheidung zeichnet sich durch eine Besonderheit aus, auf die es einzugehen gilt. Während es im "Pilot-Fall" um die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft ging, wurden im Besprechungsfall zwei Kapitalgesellschaften miteinander verschmolzen. Das änderte am Entscheidungsergebnis jedoch nichts. Denn in beiden Fällen kommt die sog. Fußstapfentheorie zum Tragen. Dem "neuen" Organträger ist daher die bislang vom "alten" Organträger gehaltene Beteiligung an der Organgesellschaft "rückwirkend" zuzurechnen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.7.2023 – I R 45/20

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