Leitsatz
1. Sagt eine GmbH ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Alters- und/oder eine Invaliditätsversorgung zu, so ist die Versorgungsverpflichtung nicht finanzierbar, wenn ihre Passivierung zur Überschuldung der GmbH im insolvenzrechtlichen Sinn führen würde. Bei der Beurteilung dieses Merkmals ist auf den Zeitpunkt der Zusageerteilung abzustellen (Bestätigung der Senatsurteile vom 20.12.2000, I R 15/00 und vom 7.11.2001, I R 79/00).
2. Für die Prüfung der insolvenzrechtlichen Überschuldung sind diejenigen Bilanzansätze maßgeblich, die in eine Überschuldungsbilanz aufzunehmen wären. Dabei ist die Pensionsverpflichtung grundsätzlich mit dem nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG zu bestimmenden Barwert der Pensionsanwartschaft anzusetzen. Weist jedoch die GmbH nach, dass der handelsrechtlich maßgebliche Teilwert der Pensionsverpflichtung niedriger ist als der Anwartschaftsbarwert, so ist dieser Teilwert anzusetzen.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG , § 6a Abs. 3 EStG , § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, die Ende 1990 gegründet wurde und die Anfang 1991 das Einzelunternehmen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers erworben hatte, erteilte diesem im Juni 1991 eine Pensionszusage (Alters-, Invaliden- und Witwenrente). Das FA hielt diese Zusage für nicht finanzierbar, weshalb vGA vorlägen. Das FG folgte dem nicht.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG auf die Revision des FA hin aufgehoben und die Sache an das FG zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Er hält ausdrücklich an seiner mittlerweile schon ständigen neueren Rechtsprechung zur Finanzierbarkeit einer Pensionszusage fest. Er hält ausdrücklich auch daran fest, dass es auf den Maßstab der insolvenzrechtlichen Überschuldung ankomme, und dass die Pensionszusage in diesem Zusammenhang mit ihrem Anwartschaftsbarwert anzusetzen sei.
Allerdings: Insolvenzrechtlich "richtig" sei dies nicht. Richtig wäre es vielmehr, den handelsrechtlichen Teilwert anzusetzen. Sei dieser auf Nachweis des Steuerpflichtigen im Einzelfall niedriger als der Anwartschaftsbarwert, dann sei deshalb dieser Teilwert anzusetzen und ausnahmsweise nicht der Barwert. So oder so beziehe sich das Ganze immer auf den Zusagezeitpunkt.
Auch die Ertragsaussichten der Gesellschaft seien zu berücksichtigen, allerdings ebenfalls nur nach insolvenzrechtlichen Maßgaben im Rahmen der sog. Going-concern-Prüfung.
Hinweis
1. Um es vorwegzunehmen: Es geht um den Problemkreis vGA und Pensionszusage im Allgemeinen und hierbei dem Finanzierbarkeitsaspekt im Besonderen. Dazu wurde in den letzten beiden Jahren vom BFH alles Grundlegende gesagt. Und daran hält er fest, so dass es genügt, auf die einschlägigen, im 1. Leitsatz zitierten Urteile zu verweisen und auf die entsprechenden Praxis-Hinweise Bezug zu nehmen: BFH-PR 2001, 222 und BFH-PR 2002, 99.
Im Kern besagt das: Die GmbH kann, wenn sie ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pension zusagt, bis an die Grenze ihrer Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn gehen. Sie muss weder den unmittelbaren Versorgungsfall einplanen noch muss sie eine künftige wirtschaftliche "Verelendung" vorsorglich mit einbeziehen. Ausnahmen bestehen nur, wenn bereits im Zeitpunkt der Zusageerteilung dergleichen absehbar war. Dann sind entsprechende Vorbehalte zu machen.
2. Auf diesem Hintergrund hat der BFH die zugesagte Pension als Passivposition bei der virtuellen Überschuldungsprüfung mit dem Anwartschaftsbarwert gem. § 6a Abs. 3 Nr. 2 EStG angesetzt und diesen Wert den Liquidationswerten gegenübergestellt. Auch dazu kann auf die s– ben angegebenen BFH-PR-Fundstellen verwiesen werden.
3. Der BFH hat sich mit seiner Rechtsprechung gegen die Finanzverwaltung gestellt, deren Meinung sich im BMF-Schreiben vom 14.5.1999 (BStBl I 1999, 512) wiederfindet. Wie die Verwaltungspraxis nun verfahren wird, weiss man allerdings noch nicht. Wie man hört, wollte das BMF sich der neuen Rechtsprechung zunächst vorbehaltlos anschließen, nicht jedoch das Finanzministerium NRW. Und nach wie vor fehlt es deswegen noch an der Veröffentlichung der Urteilsserie im BStBl und hat das BMF-Schreiben vom 14.5.1999 Bestand.
4. Der verwaltungsseitige Unmut richtet sich vornehmlich gegen den Ansatz des besagten Anwartschaftsbarwertes, der offenbar als nicht fremdvergleichsgerecht angesehen wird. Man muss sich freilich vor Augen halten, dass dieser Wert bei Licht betrachtet durchaus ein gewisses Zugeständnis an das Vorsichtsprinzip darstellt. Denn legt man mit dem BFH die Insolvenzwerte zugrunde, dann läge es weitaus näher, nicht den Anwartschaftsbarwert, vielmehr den Teilwert, und zwar den handelsrechtlichen Teilwert der Pensionsanwartschaft zugrunde zu legen. Handelsrechtlich dürfte die Bewertung der Anwartschaft mit diesem Wert kaum zu beanstanden sein. Ist dies aber der Fall, dann ist jener Wert auch für die insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung der maßgebliche.
Konsequenz einer derartigen Sichtweise wäre ein noch weitergehendes "Hinausdehnen" der Schwelle zur Unfinanzierbarkeit...