Leitsatz
1. Die Zurückweisung eines Bevollmächtigten nach § 80 Abs. 5 AO a.F. durfte sich jedenfalls dann auf alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich eines Finanzamts beziehen, wenn die Verfahren von der erteilten Vollmacht umfasst wurden.
2. Eine ausländische Steuerberatungsgesellschaft, die nach deutschem Recht nicht befugt ist, sich beim BFH selbst zu vertreten, kann diese Befugnis auch nicht aus der Dienstleistungsfreiheit herleiten.
Normenkette
§ 80 Abs. 5 AO a.F., § 80 Abs. 7 AO, Art. 56 AEUV, § 2, § 3 EuRAG, § 62 Abs. 2, Abs. 4 FGO, § 3 Nrn. 2, 3, § 3a Abs. 1, 2, 5 StBerG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit Niederlassung in den Niederlanden, gehört nicht zu den nach § 3 StBerG zur Hilfeleistung befugten Personen. Geschäftsführer war auch der Y, dessen Bestellung als Steuerberater in Deutschland widerrufen wurde. Weder Y noch die Klägerin waren in das Berufsregister nach § 3a Abs. 5 StBerG zur vorübergehenden und gelegentlichen Hilfeleistung eingetragen.
Gleichwohl reichte die Klägerin bei dem FA Unterlagen einer Steuerpflichtigen nebst Vollmacht ein. Das FA wies die Klägerin gemäß § 80 Abs. 5 AO als Bevollmächtigte und Beistand mit Wirkung für alle anhängigen und zukünftigen Verwaltungsverfahren der Steuerpflichtigen zurück.
Die Vorinstanz (Niedersächsisches FG, Urteil vom 4.8.2016, 6 K 113/16, Haufe-Index 10128360, EFG 2017, 92) wies die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Zurückweisung als unbegründet ab. Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Aufhebung des Zurückweisungsbescheids gab das FG mit der Begründung statt, § 80 Abs. 5 AO lasse die Zurückweisung nur für das jeweilige Verfahren und den jeweiligen Verfahrensabschnitt zu.
Gegen das Urteil des FG legte die Klägerin persönlich Revision ein. Zudem trug sie vor, Y sei Advocat nach britischem Recht.
Das FA beantragte, die Revision der Klägerin als unzulässig zu verwerfen und als eigenen Antrag die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Klägerin als unzulässig verworfen und auf die Revision des FA das finanzgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Die Klägerin hat – so der BFH – den Vertretungszwang nicht beachtet. Als Bevollmächtigte sind gemäß § 62 Abs. 4 Satz 3 FGO nur die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichneten Gesellschaften zugelassen.
Nur ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich gemäß § 62 Abs. 4 Satz 5 FGO selbst vertreten. Die Klägerin ist keine Gesellschaft im Sinne des § 3 Nr. 2 oder 3 StBerG. Entgegen ihrer Ansicht ist auch ein Advocat nach dem Recht Großbritanniens kein niedergelassener europäischer Rechtsanwalt im Sinne der § 2, § 3 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) und damit beim BFH ebenfalls nicht vertretungsbefugt.
Die Klägerin kann eine Vertretungsbefugnis auch nicht aus dem Recht auf freien Dienstleistungsverkehr nach Art. 56 Abs. 1 AEUV herleiten. Denn die Einlegung von Rechtsmitteln bei Gericht im eigenen Namen ist keine unter die Dienstleistungsfreiheit fallende Dienstleistung; vielmehr liegt ein Handeln im eigenen Interesse vor.
Auf die Revision des FA hat der BFH erkannt, dass die Vorinstanz zu Unrecht angenommen hat, § 80 Abs. 5 AO a.F. lasse eine Zurückweisung nur eingeschränkt zu. Im Gegenteil durfte das FA die Zurückweisung für alle anhängigen und zukünftigen Verwaltungsverfahren in seinem Zuständigkeitsbereich aussprechen. Denn § 80 Abs. 5 AO a.F. lässt nach Ansicht des BFH schon nach seinem Wortlaut keine entsprechende Einschränkung zu. Gleiches ergibt sie aus der systematischen Stellung der Regelung.
Der Rechtsstreit ist gleichwohl nicht spruchreif. Aufgrund der von der Vorinstanz bislang getroffenen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob die Klägerin gemäß § 3a StBerG befugt war. Allerdings weist der BFH darauf hin, dass die Neufassung des § 3a Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 StBerG bei der erneuten Entscheidung des FG unberücksichtigt bleiben muss, da die Neufassung keine Rückwirkung hat.
Hinweis
1. Der Besprechungsfall gehört zu einer Reihe von Entscheidungen des II. Senats über die Befugnis einer im EU-Ausland ansässigen Gesellschaft zur Hilfeleistung in Steuersachen im Inland (vgl. u.a. auch BFH, Urteil vom 19.10.2016, II R 44/12, BFH/NV 2017, 170). Im vorliegenden Fall geht es ebenfalls um die Zulässigkeit der Zurückweisung eines Bevollmächtigten bzw. Beistandes.
Hier war in der Vergangenheit streitig, ob die durch das FA ausgesprochene Zurückweisung als Bevollmächtigter nach § 80 Abs. 5 AO a.F. sich auf das jeweilige Verfahren und den jeweiligen Verfahrensabschnitt zu beschränken hatte.
Der BFH hat den Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeweitet auf alle anhängigen und künftigen Verfahren eines Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich des FA, wenn die Verfahren von der erteilten Vollmacht umfasst werden. Damit befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der ge...