Leitsatz
Richtet sich eine Gegenvorstellung analog § 321a ZPO gegen eine durch einfachen Brief bekannt gegebene Entscheidung des Gerichts, gilt für den Beginn der Frist zur Erhebung der Gegenvorstellung die Bekanntgabefiktion analog § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 4 Abs. 1 VwZG (Drei-Tages-Frist).
Normenkette
§ 53 Abs. 1 FGO , § 155 FGO , § 321a ZPO , § 4 Abs. 1 VwZG
Sachverhalt
Gegen einen Beschluss des BFH, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen worden war, legte der Kläger selbst "Gegenvorstellung" ein. Der Beschluss war mit einfachem Brief am 18.7. zur Post gegeben worden; die Gegenvorstellung ging am 14.8. ein.
Entscheidung
Der BFH hielt die Gegenvorstellung für verspätet, weil sie nach Ablauf der maßgeblichen Zwei-Wochen-Frist eingelegt worden sei. Die Frist habe drei Tage nach Aufgabe zur Post des angefochtenen Beschlusses begonnen. Im Übrigen sei die Gegenvorstellung auch deshalb unzulässig, weil sie vom Kläger selbst eingelegt worden sei. Schließlich trage der Kläger nicht vor, inwieweit ihm das rechtliche Gehör versagt worden sei. Die Verwerfung der Gegenvorstellung sei kostenpflichtig, denn es gelte in Anlehnung an die Gegenvorstellung nach § 321a ZPO eine Festgebühr von 50 Euro.
Hinweis
1. Die Entscheidung betrifft eine nicht mehr aktuelle Rechtslage. Der BFH hatte – wie andere Bundesgerichte – außerhalb des geschriebenen Prozessrechts zugelassen, dass sich ein Beteiligter gegen mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht anfechtbare Entscheidungen gleichwohl zur Wehr setzen konnte, wenn ihm das rechtliche Gehör versagt worden war. Dies entsprach der Rechtsprechung des BVerfG, das den Fachgerichtsbarkeiten aufgegeben hatte, Verstöße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs selbst zu beseitigen. Seit mit § 321a ZPO erstmals eine gesetzliche Regelung zur Geltendmachung von Verletzungen des rechtlichen Gehörs bei Endentscheidungen geschaffen worden war, hatte der BFH die Vorschrift analog im Finanzprozess angewendet.
Im Besprechungsfall hatte der Kläger sich gegen die Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde mit einem ausdrücklich als Gegenvorstellung i.S.d. § 321a ZPO bezeichneten Rechtsbehelf gewandt. Die Gegenvorstellung ging aber erst ca. vier Wochen nach Aufgabe des angefochtenen Beschlusses zur Post beim BFH ein. § 321a ZPO sieht jedoch eine Zwei-Wochen-Frist vor. Diese wendet der BFH entsprechend an. Allerdings ist im Gesetz nicht geregelt, wann die Frist bei einer nicht förmlich zugestellten Entscheidung beginnt. Der BFH entschließt sich im Besprechungsfall, die aus § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO und § 4 Abs. 1 VwZG bekannte Drei-Tages-Frist entsprechend anzuwenden.
2. Die Rechtslage hat sich seit Anfang 2005 dadurch geändert, dass seither ein in § 133a FGO geregelter Rechtsbehelf existiert, mit dem die Verletzung rechtlichen Gehörs bei Endentscheidungen gerügt werden kann (sog. Anhörungsrüge). Für diesen Rechtsbehelf gelten weitgehend gleiche Voraussetzungen wie für die bisherige Gegenvorstellung. Insbesondere ist der im Besprechungsfall problematische Fristbeginn ausdrücklich geregelt, und zwar ebenso wie hier vom BFH entschieden: Die Frist beginnt mit Zustellung bzw. bei Bekanntgabe durch einfachen Brief drei Tage nach Aufgabe zur Post (§ 133a Abs. 2 Satz 3 FGO).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 30.9.2004, IV S 9/03