1.6.1 Rückgriff auf handelsrechtliche Begriffe in § 15a EStG
Rz. 52
§ 15a EStG verwendet mehrfach Begriffe des Handelsrechts, ohne sie selbst zu definieren oder zu modifizieren. Für die Auslegung und praktische Umsetzung ist daher grundsätzlich von einer übereinstimmenden Beurteilung auszugehen. Im Zweifelsfall muss also für das Ertragsteuerrecht auf handelsrechtliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden. In Ausnahmesituationen, in denen eine Übereinstimmung oder Parallelität fehlt, ist indessen eine eigenständige gesetzeskonforme Interpretation erforderlich.
Rz. 53
Erwähnt sind zunächst ausdrücklich der "Kommanditist", die "Kommanditgesellschaft", der "stille Gesellschafter i. S. d. § 230 HGB" sowie der "Mitreeder i. S. d. § 489 HGB". Angesprochen werden indirekt aber auch die Begriffe "Haftsumme" und "Einlage", der erste durch die Umschreibung "haftet der Kommanditist … aufgrund des § 171 Abs. 1 HGB", der zweite mit "geleistete Einlage". Ohne Entsprechung im HGB sind die beiden Begriffe "Anteil am Verlust der KG" sowie "Gewinne … aus seiner Beteiligung an der KG" (§ 15a Abs. 1 S. 1, § 15a Abs. 2 EStG).
1.6.2 Haftung des Kommanditisten
Rz. 54
Der Kommanditist muss für Schulden der KG im Außenverhältnis nur bis zur Höhe seiner im Handelsregister eingetragenen Haftsumme einstehen. Dieses Einstehenmüssen ist unabhängig von der Höhe seiner tatsächlichen Einlage.
Rz. 55
Im Handelsrecht wird grundsätzlich unterschieden zwischen der "Haftsumme", die den Betrag bezeichnet, mit dem der Kommanditist im Außenverhältnis haftet, und der "Pflichteinlage", die den Betrag meint, zu dessen Einzahlung sich der Kommanditist vertraglich – im Innenverhältnis – verpflichtet hat. Diese Pflichteinlage kann identisch mit der Haftsumme, sie kann aber auch höher oder niedriger als diese sein.
Rz. 56
§ 15a EStG übernimmt die in Rz. 55 herausgestellte handelsrechtliche Differenzierung nicht. Der Begriff "Pflichteinlage" ist ihm fremd; für ihn gilt der Terminus "geleistete Einlage", die die effektive Vermögenszuführung anspricht. Demgegenüber wird auf die "Haftsumme" über den Verweis auf § 171 Abs. 1 HGB ausdrücklich Bezug genommen. Eine höhere Verpflichtung im Außenverhältnis als die tatsächlich geleistete Einlage ermöglicht einen erweiterten Verlustausgleich (§ 15a Abs. 1 S. 2 EStG). Allerdings können tatsächliche Einlage und Haftsumme nicht addiert werden (Rz. 253).
1.6.3 Verlustzurechnung bei der KG
Rz. 57
Bei der KG werden die entstandenen Verluste grundsätzlich nach dem vertraglichen oder – bei fehlender Vereinbarung – dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel zugerechnet. Dabei wird kein Unterschied zwischen Komplementär und Kommanditist gemacht. § 167 Abs. 3 HGB, wonach ein Kommanditist am Verlust nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teilnimmt, steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift legt nur die Grenze der endgültigen Verlusttragung des Kommanditisten aus seiner Beteiligung fest.
Rz. 58
Die Wertung, dass die Begrenzung einer Teilnahme am Verlust auf das Engagement insgesamt zu sehen ist, führt handelsrechtlich zu 2 wichtigen Folgen:
- Ein Verlustanteil ist dem Kommanditisten auch dann noch zuzurechnen, wenn sein Kapitalanteil verbraucht ist und negativ wird. Das Kapitalkonto erscheint dann bilanziell auf der Aktivseite, weist gleichwohl keine Forderung gegen den Kommanditisten aus, sondern hat den Charakter eines Verrechnungspostens. Es bringt lediglich buchmäßig zum Ausdruck, in welcher Höhe künftig Gewinnanteile stehen bleiben müssen, bevor Entnahmen möglich werden.
- Bei Beendigung der Kommanditistenstellung, sei es durch Ausscheiden aus der KG, sei es durch Liquidation der KG, darf für den Kommanditisten kein negativer Kapitalanteil ausgewiesen werden. Dieser würde materiell-rechtlich eine Nachschussverpflichtung zum Ausdruck bringen, die tatsächlich nicht besteht. Im Nachhinein wird vielmehr deutlich, dass die bisher vorgenommenen Verlustzurechnungen z. T. ungerechtfertigt gewesen sind und im Nachhinein korrigiert werden müssen.
1.6.4 Kapitalkonto und Kapitalnebenkonten
Rz. 59
Das HGB sieht als gesetzliches Ausgangsmodell für den Kommanditisten zwei Gesellschafterkonten vor. Erstes Konto ist ein – dem des Komplementär entsprechendes – bewegliches Kapitalkonto gem. § 120 Abs. 2 HGB. Im Unterschied zum Komplementär ist der Kapitalanteil des Kommanditisten aber gem. § 167 Abs. 2 HGB auf den Betrag seiner gesellschaftsvertraglich bedungenen Einlage begrenzt. Sobald der beschränkt haftende Gesellschafter also durch eine Bar- oder Sachleistung seine Einlage erbracht hat, werden darüber hinausgehende Gewinne nicht dem ersten Kapital-, sondern einem zweiten Gesellschafterkonto gutgeschrieben. Auch Entnahmen sind vom zweiten Konto abzubuchen. Nicht dem zweiten Konto belastet werden dagegen Verluste, weil der Kommanditist nach § 169 Abs. 2 HGB nicht dazu verpflichtet ist, den bezogenen Gewinn wegen späterer Verluste zurückzuzahlen bzw. mit diesen zu verrechnen. Die Verluste können das erste Konto dagegen bis auf einen negativen Stand herabmindern, ohne dass das zweite Konto davon beeinflusst wird. Folglich weist das zweite Konto eine dem Gesellschafter zustehende, prinzip...