Dr. Constanze Wetzel, Joachim Moritz
Rz. 208
Nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG gehören insbesondere offene und verdeckte Einlagen zu den nachträglichen Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 2 EStG. Es handelt sich um eine klarstellende Regelung, da offene und verdeckte Einlagen seit jeher – auch auf Basis der BFH-Rspr. – zu nachträglichen Anschaffungskosten führen. Von einer Einlage ist auszugehen, wenn ein Gesellschafter einer Gesellschaft einen bilanzierungsfähigen Vermögensvorteil zuwendet und die Zuwendung ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Fall einer offenen Einlage werden dem Gesellschafter im Gegenzug für die Zuwendung Gesellschafterrechte gewährt. Bei einer verdeckten Einlage fehlt es an einer Gegenleistung. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht gewährt hätte. Erforderlich ist damit ein Fremdvergleich. Als (verdeckte) Einlage i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG gelten insbesondere Nachschüsse i. S. d. §§ 26ff. GmbHG. Im Fall von Nachschüssen müssen die Gesellschafter über die Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile hinaus zusätzliche Einzahlungen in das Gesellschaftsvermögen leisten, wobei zwischen beschränkter und unbeschränkter Nachschusspflicht zu unterscheiden ist. Nachschüsse führen zu nachträglichen Anschaffungskosten. Weiterhin fallen unter die (verdeckte) Einlagen i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG sonstige Zuzahlungen i. S. d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, die die Gesellschafter in das Kapital der Gesellschaft leisten. Als sonstige Zuzahlungen sind vor allem die freiwillig und ohne Gewährung von Vorzügen seitens der Gesellschaft erbrachten Einzahlungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage einzuordnen, die zu nachträglichen Anschaffungskosten führen. Dies gilt auch dann, wenn hierdurch die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft verhindert werden soll. Auch Barzuschüsse sowie Einlagen, die in zeitlicher Nähe zur Veräußerung der Beteiligung geleistet werden (sog. Einlagen in letzter Minute), sind als offene Einlage zu berücksichtigen und schließen dementsprechend eine Anwendung des § 42 AO durch die Finanzverwaltung aus. Ebenfalls führen auch weitere klassische verdeckte Einlagen wie z. B. die Tilgung von Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft durch den Gesellschafter und die unentgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern auf die Kapitalgesellschaft zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2a EStG.
Darüber hinaus sind Kapitalzuschüsse (z. B. Sanierungszuschüsse) als (verdeckte) Einlagen i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG zu qualifizieren. Bei einem Kapitalzuschuss führt ein Gesellschafter einer Gesellschaft Kapital zu, das dauerhaft in das Vermögen der Gesellschaft übergeht. Eine Rückzahlung ist nicht beabsichtigt. Ein derartiger Zuschuss führt zu nachträglichen Anschaffungskosten. Auch der Verzicht auf eine werthaltige Forderung gegenüber einer Gesellschaft ist als (verdeckte) Einlagen i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG anzusehen und führt zu nachträglichen Anschaffungskosten, es sei denn, der Gesellschafter ist aus dem Verzicht nicht wirtschaftlich belastet. Diese Grundsätze gelten nach Auffassung der Finanzverwaltung unabhängig davon, ob es sich im Zeitpunkt des Verzichtes um ein fremdübliches oder um ein gesellschaftsrechtlich veranlasstes Darlehen handelte.
Der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil steht nach der neueren BFH-Rspr. einer Abtretung i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 2 EStG gleich und kann zu einem Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG führen, sofern der Gesellschafter für den nicht werthaltigen Teil Anschaffungskosten getragen hat. Wichtig ist allerdings, dass der BFH sich hier zur Rechtslage vor Einführung des § 17 Abs. 2a EStG geäußert hatte. Zur Rechtslage nach Einführung des § 17 Abs. 2a EStG vertritt die Finanzverwaltung, dass ein Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil des Gesellschafterdarlehens ggf. unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 EStG zu berücksichtigen sei, allerdings grundsätzlich nicht in den Anwendungsfall des § 17 Abs. 2a EStG falle. Zu beachten gilt, dass der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise noch werthaltige Teil eines gesellschaftsrechtlich veranlassten oder stehen gelassenen Darlehens (1. Wertfeststellung), der sich später im Zeitpunkt des Verzichts als nicht mehr werthaltig herausstellt (2. Wertfeststellung), grundsätzlich nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG als Anschaffungskosten (gesellschaftsrechtliche Veranlassung durch Stehenlassen) berücksichtigt werden kann. Der werthaltige Teil wäre entsprechend im Zeitpunkt des Verzichts nach § 17 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 EStG ebenfalls als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen; lediglich für den in diesem Beispiel schon im Zeitpunkt des Stehenlasse...