Rz. 62

Das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht ist nach st. BFH-Rspr. für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen. Der BFH geht bei Einkünften i. S. v. § 20 EStG von einer widerlegbaren Vermutung für das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht aus. Begründet wird dies mit den strukturellen Besonderheiten der Besteuerung von Kapitalvermögen. So sollen seit Einführung der Abgeltungsteuer alle in Betracht kommenden Kapitalanlagen, insbesondere auch realisierte Wertsteigerungen des Kapitalstamms, von § 20 EStG erfasst werden. Hinzu kommen die Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips durch das Werbungskostenabzugsverbot gem. § 20 Abs. 9 EStG und die Verlustabzugsbeschränkungen nach § 20 Abs. 6 EStG.[1] Die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht gilt auch, wenn die zugrundeliegenden Kapitalerträge von der Besteuerung aus dem besonderen Tarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG gem. § 32d Abs. 2 EStG ausgeschlossen werden. Grund hierfür ist, dass der Ausschluss aus dem besonderen Tarif in einem zweiten Schritt (d. h. nach Ermittlung der Einkünfte gem. § 20 EStG) erfolgt und somit nicht in die Einkünfteermittlung selbst hineinwirkt.[2] Die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht kann nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung widerlegt werden. So sind für die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht sämtliche aus der Beteiligung erzielten Einkünfte maßgebend.[3] Hierzu gehören auch Einkünfte, die von § 20 EStG selbst nicht erfasst werden (bspw. Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG).[4] Von einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht kann nur ausgegangen werden, wenn die Erzielung von positiven Einkünften insgesamt ausscheidet.[5] Vor diesem Hintergrund sind kaum Fälle vorstellbar, in denen der Stpfl. bei objektiver Betrachtung eine Kapitalanlage erwirbt, hält und veräußert, ohne sein Handeln auf ein positives Gesamtergebnis zu richten.[6] Beim BFH ist derzeit ein Revisionsverfahren anhängig, ob die Besteuerung der vom FA gezahlten Erstattungszinsen i. S. v. § 233a AO eine Einkünfteerzielungsabsicht voraussetzt. Nach der Vorinstanz bestehen aufgrund des klaren Wortlauts des § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG keine Bedenken, solche Erstattungszinsen der Besteuerung zu unterwerfen.[7] Anders ist dies nur in den seltenen Fällen zu beurteilen, in denen es dem Stpfl. beim Erwerb, Halten und Veräußern einer Kapitalanlage gerade darum geht, einen Verlust zu erzielen. Der erst im Laufe des Haltens einer Kapitalanlage gefasste Entschluss, diese mit Verlust zu veräußern, führt dagegen nicht zum Entfallen der Einkünfteerzielungsabsicht.[8] Ein Gestaltungsmissbrauch liegt selbst dann nicht vor, wenn der Stpfl. eine identische Kapitalanlage kurze Zeit später erneut anschafft.[9]

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