Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 339
§ 20 Abs. 4a S. 5 EStG enthält eine Sonderregel für Fälle, in denen einem Stpfl. Anteile i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zugeteilt werden, ohne dass dieser hierfür eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat. Zu denken ist etwa an die Zuteilung von Bonusaktien, die von einer AG ohne zusätzliches Entgelt an die Aktionäre ausgegeben werden und die nicht aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stammen. Werden einem Stpfl. Anteile i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zugeteilt, ohne dass dieser hierfür eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, führt dies im Grundsatz zu einem steuerbaren Kapitalertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Mit Blick auf Freianteile gilt jedoch ein anderes, wenn diese aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stammen. Eine Steuerpflicht besteht dann nicht, wie sich aus § 1 KapErhStG ergibt. Die Frage, ob die Zuteilung von Anteilen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG ohne Gegenleistung eine Besteuerung auslöst oder nach den vorstehenden Aussagen steuerneutral zu behandeln ist, kann von den Kreditinstituten häufig nur schwer beantwortet werden. Weiterhin kommt es in den beschriebenen Fällen nicht zur Zahlung eines Geldbetrags. Die Kreditinstitute sind daher gezwungen, die zugeteilten Anteile zu bewerten, auf dieser Grundlage die KapESt zu ermitteln und diese beim Stpfl. anzufordern. § 20 Abs. 4a S. 5 EStG soll diese Probleme vermeiden, indem er unter bestimmten Voraussetzungen eine steuerneutrale Behandlung des Vorgangs anordnet. Eine Besteuerung erfolgt erst bei einer späteren Weiterveräußerung der zugeteilten Anteile. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven steuerverstrickt. § 20 Abs. 4a S. 3 EStG, der im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 v. 19.12.2008 eingeführt wurde, enthielt ursprünglich keine besonderen Anforderungen an die Körperschaft, die dem Stpfl. Anteile i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zuteilt. Entsprechend erfasste die Norm nach ihrem Wortlaut Kapitalmaßnahmen bei in- und ausl. Körperschaften gleichermaßen, auch wenn der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift vor allem bei Auslandssachverhalten sah. Mit dem Jahressteuergesetz 2020 v. 21.12.2020 wurde § 20 Abs. 4a S. 5 EStG ausdrücklich auf Fälle beschränkt, in denen der Stpfl. Anteile i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat, erhält. Inlandssachverhalte fallen seither nicht mehr unter die Regelung. Hintergrund ist eine Evaluation der Vorschrift, die zeigte, dass in Inlandsfällen kein Bedürfnis für eine steuerneutrale Behandlung besteht.
Rz. 340
Eine steuerneutrale Behandlung ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG erfüllt sind. Insofern müssen einem Stpfl. von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat, zunächst Anteile i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zugeteilt werden, ohne dass dieser hierfür eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat. § 20 Abs. 4a S. 5 EStG erfasst vor allem die Zuteilung von Anteilen an Körperschaften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Unter die Vorschriften fallen aber auch eigenkapitalähnliche Genussrechte, ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Weiterhin dürfen für eine Anwendung des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 3, 4 und 7 EStG nicht vorliegen. Die Zuteilung der Anteile darf also nicht darauf beruhen, dass der Stpfl. ein Gestaltungsrecht i. S. d. § 20 Abs. 4a S. 3 EStG bei einer sonstigen Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ausgeübt hat. Auch darf es sich nicht um den Fall einer Zuteilung von Bezugsrechten i. S. d. § 20 Abs. 4a S. 4 EStG handeln. Ferner dürfen die Anteile auch nicht im Rahmen einer Abspaltung i. S. d. § 20 Abs. 4a S. 7 EStG zugeteilt worden sein. Schließlich muss es für das Kreditinstitut unmöglich sein, den Kapitalertrag i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu ermitteln, also die zugeteilten Anteile zu bewerten. Lt. BFH ist ein etwaiger Börsenkurs von zugeteilten Aktien zur Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags heranzuziehen. § 20 Abs. 4a S. 5 EStG findet nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Anwendung, wenn dem Anteilseigner nach ausl. Recht (z. B. Frankreich, Niederlande oder Spanien) ein Wahlrecht zwischen Dividende und Freianteilen zusteht, dem Anteilseigner mit ausl. Quellensteuer belastete Anteile eingebucht werden, es sich um eine Doppelmaßnahme handelt (Ausschüttung und Reinvestition in neue Aktien), neben Aktien auch andere Wirtschaftsgüter gewährt werden (sog. gemischte Maßnahmen) oder Nachbesserungsrechte, die zu einem Bezug neuer Aktien führen können, gewährt werden.
Rz. 341
Liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG vor, wird der Vorgang zwingend steuerneutral behandelt. Ohne die Vorschrift des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG würd...