Carsten Schmitt, Andrea Debus
Rz. 47
Die durch das JStG/JStErgG 1996 eingeführten Vorrangregelungen in § 32 Abs. 2 EStG sollen die Doppelberücksichtigung von Pflegekindern und Adoptivkindern vermeiden.
Rz. 48
Nach § 32 Abs. 2 S. 1 EStG ist ein Adoptivkind, bei dem das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter besteht, vorrangig als angenommenes Kind, d. h. bei den Adoptiveltern und nicht bei den leiblichen Eltern, zu berücksichtigen. Das betrifft insbes. die Volljährigenadoption, da sie nach § 1770 Abs. 2 BGB das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern unberührt lässt; bei der Minderjährigenadoption gilt dies für das Jahr der Adoption, da nach § 1755 Abs. 1 BGB mit der Adoption die Verwandtschaftsverhältnisse erlöschen. Erbringen die leiblichen Eltern Leistungen, erfolgt der Ausgleich zivilrechtlich nach § 1612b BGB durch Anrechnung des hälftigen Kindergelds.
Rz. 49
Nach § 32 Abs. 2 S. 2 EStG ist das Kind vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen, d. h., die leiblichen Eltern können hier ebenfalls nur im Wege des zivilrechtlichen Ausgleichs nach § 1612b BGB von den kindbezogenen Leistungen profitieren, indem sie ihre Unterhaltszahlungen um die Hälfte des Kindergelds kürzen.
Bei den leiblichen Eltern führt dies nicht in allen Fällen zur vollen steuerlichen Berücksichtigung erbrachter Unterhaltsleistungen. Dem Gesetzgeber erschien dies im Hinblick auf die geringe Zahl solcher Fälle und den Umstand, dass die Pflege- oder Adoptiveltern den leiblichen Eltern jedenfalls einen wesentlichen Teil ihrer Sorge für die Kinder abnehmen, hinnehmbar.
Rz. 50
Nicht ausgeschlossen wird durch § 32 Abs. 2 EStG eine Doppelberücksichtigung für den Monat, in dem das weitere Kindschaftsverhältnis begründet wird. Denn ein Kind ist immer schon dann für den ganzen Kalendermonat zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen dafür an wenigstens einem Tag vorgelegen haben (Monatsprinzip, § 32 Abs. 3 EStG). Wird daher durch Adoption oder Annahme als Pflegekind ein weiteres Kindschaftsverhältnis zu einem Kind begründet, haben zu Beginn des Monats die Berücksichtigungsvoraussetzungen bei den leiblichen Eltern und später während des Monats bei den Adoptiveltern bzw. Pflegeeltern bestanden. Zum Beginn des Monats steht das Kind daher nicht zugleich in mehreren Kindschaftsverhältnissen, sodass die Vorrangregelung des § 32 Abs. 2 EStG für diesen Monat nicht anwendbar ist. Nach a. A. schließt § 32 Abs. 2 S. 2 EStG nach seinem Sinn und Zweck auch in diesen Fällen im jeweiligen Monat die Doppelberücksichtigung aus.