Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 81
§ 32d Abs. 6 EStG sieht vor, dass der Stpfl. für die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG eine Steuerfestsetzung zum progressiven Normaltarif i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG beantragen kann, wenn dies zu einer niedrigeren ESt führt als die Anwendung des proportionalen Sondertarifs i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG. Bei der in § 32d Abs. 6 EStG geregelten Günstigerprüfung handelt es sich um keine aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Ausnahme vom proportionalen Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG, sondern um eine gesetzgeberische Billigkeitsmaßnahme, die verhindern soll, dass Stpfl., deren persönlicher Steuersatz unter 25 % liegt, auf den proportionalen Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG hochgestuft werden. Entsprechend führt die Anwendung des § 32d Abs. 6 EStG auch nicht dazu, dass die Stpfl. vollständig aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheiden. Das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 EStG und das Verlustverrechnungsverbot i. S. d. § 20 Abs. 6 EStG bleiben anwendbar. Dies gilt auch mit Blick auf Ausgaben, die nach dem 31.12.2008 getätigt wurden, aber mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind. Der Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 1.000 EUR kann abgezogen werden. Auch richtet sich die Anrechnung ausl. Quellensteuern nach der Sonderregel i. S. d. § 32d Abs. 5 EStG, wobei die Anrechnung auf die tarifliche Einkommensteuer beschränkt ist, die auf die hinzugerechneten Kapitalerträge entfällt. Bei Ansatz der tariflichen ESt aufgrund eines Antrags auf Günstigerprüfung i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG ist die KiSt auf die Kapitalerträge als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG abzugsfähig. Für die Berechnung des Schwellenwerts i. S. d. § 147a Abs. 1 S. 1 AO sind Kapitaleinkünfte, die aufgrund eines Antrags i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG der tariflichen Besteuerung unterliegen, mit einzubeziehen.
Rz. 82
Die Günstigerprüfung i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG wird nur auf Antrag des Stpfl. durchgeführt. Der Antrag kann nach § 32d Abs. 6 S. 3 EStG nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge gestellt werden. Bei zusammen veranlagten Ehegatten muss der Antrag nach § 32d Abs. 6 S. 4 EStG für sämtliche Kapitalerträge der Ehegatten gestellt werden. Zusammen veranlagte Ehegatten können den Antrag demnach nur gemeinsam stellen. Hierdurch soll verhindert werden, dass Stpfl. mit hohen Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG, die keine oder nur geringe Einkünfte aus anderen Einkunftsarten erzielen, lediglich für einen Teil ihrer Kapitaleinkünfte eine Günstigerprüfung beantragen, und dadurch ungerechtfertigte Steuervorteile erlangen.
Der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG muss nach dem Wortlaut des Gesetzes anders als der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG nicht zusammen mit der ESt-Erklärung gestellt werden. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist der Antrag i. S. d. § 32 Abs. 6 EStG wie der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids möglich. Nach diesem Zeitpunkt soll ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG noch so lange gestellt werden können, wie eine Änderung des Steuerbescheids in Betracht kommt. Dies entspricht der Ansicht des BFH. Bei einer Änderung des Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 AO ist zu beachten, dass in die Entscheidung, ob nachträglich bekanntgewordenen Tatsache zu einer höheren oder niedrigeren ESt führen, auch die im Steuerabzugsverfahren erhobene ESt einzubeziehen ist. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt nur in Betracht, wenn den Stpfl. an dem nachträglichen Bekanntwerden der abgeltend besteuerten Kapitaleinkünfte kein grobes Verschulden trifft. Im Hinblick auf eine Änderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist zu beachten, dass der Antrag auf Günstigerprüfung i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG für sich betrachtet kein rückwirkendes Ereignis ist, das eine Änderung des Steuerbescheids ermöglicht. Hiervon abzugrenzen ist der Fall, dass die Voraussetzungen für einen Antrag i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG erst nach Eintritt der Bestandskraft eintreten, z. B. aufgrund des Erlasses eines Änderungsbescheids. Stellt der Stpfl. einen Antrag i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG, prüft das FA von Amts wegen, ob die Anwendung des progressiven Normaltarifs i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG zu einer niedrigeren Steuer einschließlich Zuschlagsteuern führt, wobei insbesondere der Grundfreibetrag und der Altersentlastungsbetrag zu berücksichtigen sind. Sollte dies nicht der Fall sein, soll der Antrag nach Ansicht der Finanzverwaltung als nicht gestellt gelten. Dies kann allerdings nur dahingehend verstanden werden, dass ein Antrag auf Günstigerprüfung i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG für den Stpfl. zu keiner Verschlechterung führen kann. Lehnt die Finanzverwaltung eine Anwendung des progressiven Normaltarifs i. S. d. § 32a Abs. 1 EStG ab, obwohl die Voraussetzungen des § 32d Abs. 6 EStG nach Ansicht des Stpfl. vorliegen, müssen hiergegen die üblichen Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben sein. Ein Ant...