Prof. Dr. Gerrit Frotscher
1.1 Systematische Stellung
Rz. 1
Die Vorschrift ist Teil der Regelungen zur Besteuerung der beschr. Stpfl. § 50a EStG schafft bei beschr. Steuerpflicht des Gläubigers bei bestimmten Leistungen die Verpflichtung des Schuldners der Vergütung, Steuern abzuziehen und an das FA abzuführen. Außerdem eröffnet die Vorschrift in Abs. 7 dem FA allgemein die Möglichkeit, durch Anordnung eines besonderen Steuerabzugs den Steuereingang sicherzustellen. Die Fälle des Steuerabzugs werden damit bei beschr. Stpfl. über die allgemeinen Regeln (LSt, KapESt, Bauabzugsteuer) hinaus erweitert.
Rz. 2
Die Vorschrift spiegelt in besonderer Weise die Probleme wider, die die Besteuerung beschr. Stpfl. mit sich bringt. Bei den von § 50a EStG erfassten Fällen beziehen die Stpfl., die im Ausland ansässig sind und im Inland nur der beschr. Steuerpflicht unterliegen, häufig nur aus einem kurzfristigen und vorübergehenden Aufenthalt im Inland Einkünfte. Ein dauerhaftes materielles Substrat wie eine Betriebsstätte besteht im Inland nicht. Obwohl damit eine dauerhafte Verwurzelung im Inland fehlt, werden die Einkünfte nach § 49 EStG der beschr. Steuerpflicht unterworfen. Für die Finanzverwaltung gibt es damit nur eine verminderte Möglichkeit, die Steuern im Inland festzusetzen und zu erheben. Aufgrund des nur kurzfristigen Aufenthalts des Stpfl. im Inland hat die Finanzbehörde kaum Möglichkeiten, den Sachverhalt zu ermitteln. Nach Auszahlung der Vergütungen wäre die Finanzverwaltung ohne den Steuerabzug auf den mühsamen und oft ergebnislosen Weg der Steuererhebung im Ausland verwiesen. Der Steuerabzug ist daher oft die einzige Möglichkeit, die Besteuerung durchzuführen.
Rz. 3
Die Vorschrift enthält eine Mischung aus formalen und materiellen Regelungen. An sich ist der Steuerabzug ein lediglich formelles Verfahren, das, vergleichbar mit den Vorauszahlungen, den zeitnahen Eingang der Steuer sichern soll. Damit hat der Steuerabzug grundsätzlich keine materiell-rechtliche Bedeutung, d. h., er bestimmt nicht selbst die Höhe der Steuer, sondern sichert nur den Eingang der Steuer entsprechend der in anderen Vorschriften vorgeschriebenen Höhe. Im Rahmen des § 50a EStG gilt dies aber nur für den Steuerabzug nach Abs. 7. Die Bestimmung dieses Steuerabzugs beeinflusst nicht die Höhe der Steuer, sondern sichert nur den Eingang der ohnehin entstandenen Steuer.
Rz. 4
Anders ist es dagegen bei den anderen Tatbeständen des § 50a EStG. Die Bestimmung des Steuerabzugs, insbesondere i. V. m. der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs nach § 50 Abs. 2 S. 1 EStG, determiniert die Höhe der Steuerbelastung bei den in § 50a EStG angesprochenen Vergütungen. Die Vorschrift hat daher auch materielle Bedeutung.
Rz. 5
Dem entspricht es, wenn Normadressat nicht nur der Schuldner der Vergütung ist, d. h. diejenige Person, die die Steuer einbehalten und abführen muss, sondern auch der Gläubiger der Vergütung. Der Steuerabzug bestimmt, soweit nicht ein Veranlagungstatbestand nach § 50 Abs. 2 S. 2 EStG gegeben ist, die endgültige steuerliche Belastung des Gläubigers. Er ist daher im Steuerabzugsverfahren nach § 50a EStG Verfahrensbeteiligter.
Rz. 6
Dagegen begründet § 50a EStG selbst nicht die beschr. Steuerpflicht als solche. Der Steuerabzug ist nur zulässig, wenn dem Grunde nach beschr. Steuerpflicht besteht. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach § 49 EStG.
1.2 Vereinbarkeit mit höherrangigem und DBA-Recht
1.2.1 Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht
Rz. 7
§ 50a EStG enthält eine gewisse Ungleichbehandlung der beschr. Stpfl. gegenüber den unbeschränkt Stpfl., bei denen bei Vergütungen der in § 50a EStG genannten Art kein Steuerabzug vorgenommen wird. Dies stellt zwar eine Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 GG dar, doch ist diese Ungleichbehandlung dadurch gerechtfertigt, dass bei beschr. Stpfl. wegen des weniger intensiven, häufig nur vorübergehenden Inlandsbezugs die Erhebung der Steuer stärker gefährdet erscheint als bei unbeschränkt Steuerpflichtigen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Fiskus durch geeignete gesetzliche Maßnahmen gegen eine schwierige und häufig erfolglose Sachverhaltsermittlung und Steuererhebung im Ausland sichert. Materielle Nachteile des beschr. Stpfl. durch den Steuerabzug sind durch den gegenüber dem Tarifsteuersatz niedrigeren Abzugsteuersatz, die Einschränkung der Abgeltungswirkung (§ 50 EStG Rz. 108ff.) und durch Freistellungs- und Erstattungsmöglichkeiten (§ 50c EStG Rz. 17, 47) begrenzt. Eine darüber hinausgehende Einschränkung der belastenden Wirkungen des Steuerabzugs würde die Effektivität der Regelung beeinträchtigen und ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Vorschrift verstößt damit nicht gegen Art. 3 GG (Gleichheitsgebot).
1.2.2 Vereinbarkeit mit europäischem Recht
Rz. 8
Der Steuerabzug bei beschr. Stpfl. ist europarechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, auch wenn bei unbeschränkt Stpfl. kein Steuerabzug erfolgt. Die unbeschränkte und die beschr. Steuerpflicht beruhen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Hieraus folgen zwingend unterschiedliche Steuererhebungsmodalitäten. Ein unbeschränkt Stpfl. unterliegt ...