Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 31
§ 50g Abs. 2 EStG enthält eine Reihe von Ausnahmen. Liegen diese Ausnahmen vor, bleibt die Verpflichtung für den inländischen Schuldner, eine Abzugsteuer einzubehalten und abzuführen, erhalten. Für den Gläubiger tritt u. U. beschr. Steuerpflicht ein. Die Ausnahmeregelung des § 50g Abs. 2 EStG hat den Charakter einer Missbrauchsverhinderungsvorschrift. Es sollen Fälle erfasst werden, in denen materiell keine Zinsen oder Lizenzgebühren vorliegen, sondern die tatsächliche wirtschaftliche Gestaltung hinter der Vereinbarung von Zinsen oder Lizenzgebühren verdeckt wird. Der Quellenstaat kann diese Fälle nach Art. 4 Abs. 1 der Zins- und Lizenzrichtlinie aus dem Geltungsbereich der Steuerfreistellung ausnehmen. Davon hat die Bundesrepublik Deutschland in § 50g Abs. 2 EStG Gebrauch gemacht.
Rz. 32
Nach § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG, der auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Zins- und Lizenzrichtlinie beruht, gilt die Befreiung von der Abzugsteuer nicht für Zinsen, die nach der Qualifikation des nationalen Rechts in Gewinnausschüttungen umqualifiziert werden. Da auf das deutsche Recht abgestellt wird, greift die Vorschrift in allen Fällen ein, in denen die Zinsen nach nationalem Recht vGA darstellen. Für Lizenzgebühren gilt diese Ausnahme nicht. Durch die Verweisung auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG wird klargestellt, dass es sich hierbei um verdeckte Gewinnausschüttungen handelt. Betroffen sind Zinsen für Gesellschafter-Darlehen, die der Höhe nach überhöht sind und daher nach § 8 Abs. 3 KStG als vGA besteuert werden. Dies ist eine Einschränkung der Rechtsfolge, da nach dem Wortlaut der Vorschrift die Freistellung von der KapESt für den gesamten Zinsbetrag ausgeschlossen wäre, nicht nur für den unangemessenen Teil. Da durch den Klammerzusatz die Regelung aber auf vGA beschränkt wird, bleibt die Freistellung von der Abzugsteuer für den angemessenen Teil der Zinsen erhalten. Dies ist systematisch auch richtig, da der unangemessene Teil der Zinsen als vGA nach § 43b EStG nicht der KapESt unterliegt. Es wäre daher systematisch nicht begründbar, den angemessenen Teil der KapESt zu unterwerfen. Allerdings überschneidet sich die Regelung bei dieser Auslegung mit § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG. Dies dürfte aber der Systematik der EU-Richtlinie geschuldet sein, die ja eine Mehrzahl von Rechten berücksichtigen muss. Da es sich nach nationalem Recht bei diesen Vergütungen nicht um Zinsen, sondern um vGA handelt, unterliegen sie nicht dem Steuerabzug für Zinsen, sondern dem für Gewinnausschüttungen. Daher greift für diese Gewinnausschüttungen § 43b EStG ein, sodass bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen keine KapESt entsteht (zum Verfahren § 50d EStG Rz. 15ff.). Die Ausnahme des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG dürfte daher praktisch wenig Bedeutung haben.
Rz. 33
Nach § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG, der auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Zins- und Lizenzrichtlinie beruht, gilt die Befreiung von der Abzugsteuer außerdem nicht für Zinsen auf Forderungen, die einen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn des Schuldners begründen. Damit gilt die Befreiung von der Abzugsteuer nicht für Zinsen aus partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen, Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter an einem Handelsgewerbe und aus darlehensähnlichen Genussrechten. Diese Vergütungen werden nach § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a nicht als "Zinsen" erfasst. Es entsteht damit eine "doppelte" Regelung, von der eine überflüssig ist. Wenn die genannten Einkünfte keine "Zinsen" sind, ist der Ausschluss nach Abs. 2 überflüssig; andererseits wäre die Regelung, dass die genannten Einkünfte keine "Zinsen" sind, überflüssig, wenn in Abs. 2 Buchst. b die Geltung der Richtlinie für diese Vergütungen ohnehin ausgeschlossen ist. Vergütungen aus einer atypisch stillen Gesellschaft werden ohnehin von der Befreiung nicht erfasst, da es sich hierbei nicht um Zinsen, sondern um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt. Vergütungen auf beteiligungsähnliche Genussrechte werden ebenfalls von der Befreiung nicht erfasst, da sie "Zinsen" entsprechend der Definition in § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a EStG sind und eine Beteiligung am Gewinn des Schuldners begründen. Da diese beteiligungsähnlichen Genussrechte nach nationalem Recht wie Gewinnausschüttungen behandelt werden, also § 43b EStG unterliegen, ist die Ausklammerung aus § 50g EStG sachgerecht.
Rz. 33a
Diese Einschränkung gilt nur für Zinsen, nicht für Lizenzgebühren. Auch Lizenzgebühren können gewinnabhängig sein. Trotzdem bleibt die Befreiung von der Abzugsteuer nach § 50a EStG bestehen.
Rz. 33b
Problematisch ist, dass nach der Gesetzesbegründung die Ausnahmevorschrift sehr weit gefasst ist. Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Zins- und Lizenzrichtlinie dürfen nur Zahlungen auf Forderungen von der Steuerbefreiung ausgeschlossen werden, die einen Anspruch auf den Gewinn begründen. Der Ausschluss der Steuerbefreiung ist also auf eine Beteiligung am Gewinn beschränkt. Die Bundesrepublik Deutschland sieht aber alle Vergütungen als "Be...