Rz. 150
An einem Gesellschaftsanteil kann ein Nießbrauch nur bestellt werden, wenn entweder der Gesellschafter über seinen Anteil frei verfügen kann oder wenn die anderen Gesellschafter zustimmen.
Nach weit verbreiteter Auffassung kann die Einräumung eines Nießbrauchs an einem Anteil an einer Personengesellschaft nur durch Übertragung des Gesellschaftsanteils auf den Nießbraucher (Vollrechtsübertragung) mit schuldrechtlicher Bindung im Innenverhältnis wirksam eingeräumt werden. Der Nießbraucher wird Gesellschafter auf Zeit und als solcher in das Handelsregister eingetragen. Er allein übt im Verhältnis zur Gesellschaft alle Rechte aus dem Gesellschaftsverhältnis aus, insbesondere die Stimmrechte. Geschäftsführung sowie die Vertretung nach außen stehen ihm nur dann zu, wenn diese bisher von dem Nießbrauchsbesteller wahrgenommen wurden. Der Nießbraucher haftet im Außenverhältnis für Schulden der Gesellschaft. Der Nießbrauchsbesteller scheidet auf Zeit aus der Gesellschaft aus und hat nur bestimmte schuldrechtliche Ansprüche gegen den Nießbraucher, vergleichbar etwa den Ansprüchen eines Unterbeteiligten gegen den Hauptbeteiligten (z. B. Staudinger/Kessler, BGB, 12. Aufl., § 717 Rz. 27 für die GbR m. w. N.). Auch beim Nießbrauch an einem Mitunternehmeranteil ist dringend zu raten, in dem Nießbrauchsvertrag bzw. dem Gesellschaftsvertrag alle Fragen zu regeln, die streitig werden könnten, z. B. Gewinnverteilung, Verlusttragung usw.
Rz. 151
Nach neuerer Erkenntnis ist ein Nießbrauch als absolutes Recht auch durch Abspaltung bestimmter Rechte und Pflichten aus der Mitgliedschaft begründbar. Nach dieser Auffassung wird der Nießbraucher nicht Gesellschafter, er übt im Verhältnis zur Gesellschaft nur einzelne Rechte aus. Gesellschafter bleibt vielmehr der Nießbrauchsbesteller, der gegenüber der Gesellschaft ebenfalls bestimmte Rechte ausübt und im Außenverhältnis haftet. Hierbei ist im einzelnen streitig, welche Rechte dem Nießbraucher und dem Nießbrauchsbesteller zustehen, wenn hierüber keine besonderen Vereinbarungen getroffen werden (vgl. Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, vor § 335 Rz. 9ff.; Staudinger/Promberger, BGB, 12. Aufl., Anh. §§ 1068, 1069 Rz. 56f.; vgl. auch BGHZ 58, 316 sowie Petzoldt, DStR 1992, 1171/3 unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des BGH zur Dauertestamentsvollstreckung für Kommanditanteile, vgl. BGH vom 3.7.1989, ZIP 1989, 1186 und BFH v. 1.3.1994, VIII R 35/92, NWB Eiln. 1994, 394).
Einkommensteuerlich ist ein Nießbraucher dann Mitunternehmer, wenn er aufgrund der im Einzelfall getroffenen Abreden eine rechtliche und tatsächliche Stellung erlangt, die dem Typusbegriff des Mitunternehmers entspricht.
2.9.2.1 Nießbraucher wird Mitunternehmer
Rz. 152
Nur wenn der Nießbraucher die Stellung eines Mitunternehmers einnimmt, wird er Inhaber der Einkunftsquelle. Das bedeutet, daß dem Nießbraucher die Herrschaftsrechte und die vermögensrechtliche Nutzung zusteht, während der Anteilsinhaber die Vermögenssubstanz behält. Mitunternehmer ist, wer wenigstens im gewissen Umfang Unternehmerinitiative entfalten kann und das mit einem Gewerbebetrieb verbundene Risiko in nicht unerheblichem Maße mit zu tragen hat. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung für die Bejahung der Mitunternehmereigenschaft vor allem die Berechtigung zur Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschaft als wesentlich angesehen, da es das wichtigste Mitverwaltungsrecht in der Gesellschaft sei. Es vermittle die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, Unternehmerinitiative zu entfalten, soweit diese Unternehmerinitiative nicht dem geschäftsführenden oder vertretungsberechtigten Gesellschafter überlassen sei. Im Hinblick darauf, daß dem Nießbraucher kein Anteil an den stillen Reserven und am Geschäftswert gebührt, soweit diese erst bei Auflösung der Gesellschaft realisiert werden (im zivilrechtlichen Schrifttum herrscht der Standpunkt vor, daß der Nießbraucher Anspruch auf den entnahmefähigen Gewinn hat. Im Urt. v. 28.1. 1992, VIII R 207/85, DStR 1992, 711, hatte der BFH über eine mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung zu entscheiden, die darauf beruhte, daß eine GmbH auf eine andere GmbH Grundbesitz zum Buchwert übertrug, wobei die Differenz zwischen Teilwert und Buchwert 2,25 Mio. DM betrug und wobei an beiden Gesellschaften teilweise dieselben Personen beteiligt waren. Auch der BFH geht von der zivilrechtlichen Betrachtung und davon aus, daß der Begriff der Nutzungen auch den Gewinn eines Unternehmens umfaßt. Was unter Gewinn in diesem Zusammenhang zu verstehen ist, sieht er als noch nicht endgültig geklärt an. Er folgert daraus, daß hierzu bei einem Nießbrauch an einem GmbH-Anteil die gemäß Gewinnverteilungsbeschluß ausschüttungsfähige anteilige Gewinnquote gerechnet wird, daß dem Nießbraucher jedoch jede...