Rz. 107
Ist am Besitzunternehmen (Bruchteilsgemeinschaft, GbR, OHG, KG) neben der mehrheitlich bei der Betriebsgesellschaft beteiligten Person bzw. Personengruppe mindestens ein weiterer Gesellschafter beteiligt (Nur-Besitzgesellschafter) und gilt für das Besitzunternehmen qua Gesetz oder (Gesellschafts-)Vertrag (daher kommt der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags bei Beteiligung eines Nur-Besitzgesellschafters entscheidende Bedeutung zu) das Erfordernis zur Einstimmigkeit bei der Geschäftsführung nicht nur für die außergewöhnlichen Geschäfte (z. B. Begründung, Änderung, Beendigung des Nutzungsverhältnisses), sondern auch für die Geschäfte des täglichen Lebens (welche Geschäfte hierzu gehören, ist nach Ansicht des BFH nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls auszulegen; mithin kommt es also für die Frage, ob ein Geschäft zu den" Geschäften des täglichen Lebens" zählt, auf die konkrete Tätigkeit des betreffenden Unternehmens an;) (z. B. laufende Verwaltung der vermieteten Wirtschaftsgüter), scheidet nach st. Rspr. des BFH bei lediglich minimal beteiligtem Nur-Besitzgesellschafter bzw. -gemeinschafter Beherrschungsidentität und damit eine personelle Verflechtung aus. Dabei spielt es keine Rolle, wenn der Nur-Besitzgesellschafter bzw. -gemeinschafter ein naher Angehöriger ist. Zur Umqualifizierung der Einkünfte vgl. Rz. 161f.
Während sich das Einstimmigkeitsprinzip bei der GbR regelmäßig bereits aus dem Gesetz (§ 709 Abs. 1 BGB) ergibt, existiert eine solche Regelung nicht für die Geschäfte des täglichen Lebens bei der OHG und der KG (Mehrheitsprinzip: §§ 116 Abs. 2, 161 Abs. 1 HGB), sodass sich das Einstimmigkeitsprinzip bei diesen Rechtsformen aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben muss; die Vereinbarung des Einstimmigkeitsprinzips bei einer Besitz-Personengesellschaft ist kein Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO. Entsprechendes gilt bei einer Bruchteilsgemeinschaft (§ 745 Abs. 1 BGB). Gilt das Einstimmigkeitsprinzip nicht und stattdessen das Mehrheitsprinzip, kann die personelle Verflechtung durch den Nur-Besitzgesellschafter bzw. -gemeinschafter nur dann vermieden werden, wenn dieser allein über die Mehrheit der Stimmrechte am Besitzunternehmen verfügt und dadurch die Bildung eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens verhindert.
Festzuhalten bleibt daher, dass mit einer Einstimmigkeitsvereinbarung oder auch mit dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip eine personelle Verflechtung und somit auch die Entstehung einer Betriebsaufspaltung vermieden werden kann. Zu beachten gilt es dabei jedoch, dass dieser (vermeintliche) steuerliche Vorteil mitunter mit faktischen Nachteilen "erkauft" wird. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Minderheitsgesellschafter aufgrund seines Vetorechts in der Lage ist, wesentlich mehr Einfluss zu nehmen und auszuüben, als dies seiner eigentlichen Beteiligungshöhe entspricht; dies wiederum kann zu Problemen bspw. in einem Scheidungsfall führen, wenn es sich bei dem Minderheitsgesellschafter um den Ehepartner handelt.
Rz. 108
Aufgrund des Widerspruchsrechts (Vetorechts) des Nur-Besitzgesellschafters sind die Doppelgesellschafter bei Gültigkeit des Einstimmigkeitprinzips nicht in der Lage, ihren geschäftlichen Betätigungswillen im Besitzunternehmen durchzusetzen; hierbei ist es gleich, ob das Einstimmigkeitsprinzip auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage basiert. Dies gilt jedoch nur, wenn sich das Einstimmigkeitsprinzip auch auf die Geschäfte des täglichen Lebens bezieht (Rz. 107).