Jean Bramburger-Schwirkslies, Michele Schwirkslies
Ausnahme nach der bislang geltenden Rechtsprechung: Wird eine Immobilie gemäß § 4 Nr. 12 UStG umsatzsteuerfrei
vermietet, fällt auch für die Vermietung der Garage, die zusammen mit einer Immobilie (z. B. Wohnung) vermietet wird, keine Umsatzsteuer an. Die Vermietung der Garage ist dann eine Nebenleistung, die der umsatzsteuerfreien Vermietung zuzurechnen ist. Entscheidend ist also, ob es sich bei der Vermietung der Garagen um eine Hauptleistung handelt oder um eine Nebenleistung, die umsatzsteuerlich wie die Hauptleistung zu behandeln ist.
Dieser Auffassung tritt das FG Thüringen mit seinem Urteil vom 27.6.2019 entgegen und nimmt in den Fällen der Überlassung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen eine eigenständige Leistung an. Die Dauer ist für die Beurteilung der Frage, ob die Leistung der Steuerbefreiung unterliegt oder nicht, nicht von Bedeutung. Einzig maßgebend ist die Endnutzung des Fahrzeugabstellplatzes.
Im Urteilsfall des FG Thüringen ging es um einen Unternehmer, der in den Jahren 2011 bis 2014 einen Gebäudekomplex sowie 15 Tiefgaragenstellplätze errichtete. Die Stellplätze waren auch von außen zugänglich, nicht nur über den Gebäudekomplex und damit nicht nur für die Mieter des Gebäudekomplexes nutzbar. Der Unternehmer beabsichtigte, den Gebäudekomplex als Beherbergungsstätte zu nutzen (kurzfristige Beherbergung von Fremden) und zog deshalb aus den Eingangsrechnungen für die Errichtung des Gebäudekomplexes in voller Höhe Vorsteuer. Im Jahr 2014 änderte sich die Nutzung, da der Unternehmer nun auch Teile des Gebäudes zu Wohnzwecken umsatzsteuerfrei vermietete. Diese Zweckänderung führte zu einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG.
Der Fall landetet vor dem Finanzgericht, weil zwischen dem Finanzamt und dem Unternehmer strittig war, ob auch die Vorsteuer auf 10 Tiefgaragenstellplätze, die an Wohnungsmieter vermietet wurden, zu korrigieren war. Der Unternehmer ging von einer eigenständigen und damit umsatzsteuerpflichtigen Vermietung der Tiefgaragenstellplätze an die Wohnungsmieter aus. Eine Berichtigung der Vorsteuer war seiner Meinung nach nicht notwendig. Die Miete für die 10 Stellplätze rechnete er gesondert mit Umsatzsteuer ab.
Das Finanzamt berief sich auf die Verwaltungsmeinung, nach der es sich bei der Vermietung von Wohnraum und Stellplätzen an ein und denselben Mieter um eine einheitliche Leistung handelte. Die Wohnungsvermietung stellt die Hauptleistung dar, die Vermietung der Tiefgaragenstellplätze die Nebenleistung, die das Schicksal der Hauptleistung teilt und damit auch unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG fällt. Damit forderte das Finanzamt eine Vorsteuerkorrektur auch für die 10 an Wohnungsmieter vermieteten Stellplätze.
Das Finanzgericht kam zu der Entscheidung, dass das Finanzamt zu Unrecht eine Vorsteuerkorrektur für die Stellplätze vorgenommen hatte, die an Wohnungsmieter vermietet wurden. Das Finanzgericht beurteilte die Vermietung der 10 Stellplätze als umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung im Sinne des UStG. Das Urteil begründete das Finanzgericht mit der fehlenden Grundlage in der EuGH-Rechtsprechung. Aus der EuGH-Rechtsprechung lässt sich nach Ansicht des Finanzgerichts Thüringen nicht ableiten, dass die Vermietung von Flächen für das Abstellen von Fahrzeugen stets und ständig eine Nebenleistung zu einer Grundstücksflächenvermietung darstellt. Als Begründung wurde außerdem aufgeführt, dass die Tiefgaragenstellplätze auch von außen, also nicht nur über den Gebäudekomplex, erreichbar waren.
Einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietung der Wohnung und der Stellplatzvermietung konnte das Finanzgericht nicht feststellen. Für die Stellplatzvermietung gibt es einen eigenen Markt, sodass auch die Vermietung an Dritte wirtschaftlich vorteilhaft wäre.
Gegen das Urteil des Finanzgerichts Thüringen wurde die Revision zugelassen, der Fall liegt nun unter dem Aktenzeichen V R 41/19 zur Entscheidung beim BFH. Die Revision wurde insbesondere aufgrund der Tatsache zugelassen, dass das Urteil des Finanzgerichts Thüringen von der bisherigen Verwaltungsauffassung und dem Umsatzsteueranwendungserlass abweicht und damit von grundsätzlicher Bedeutung ist.