FinMin Schleswig-Holstein, Erlaß v. 3.2.2016, VI 309 - S 0170 - 115
Bezug: Urteil des FG Köln vom 20.8.2015, 10 K 3553/13
Nach der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung sind Maskenbälle und Tanzveranstaltungen – im Gegensatz zu als Zweckbetrieb anzusehenden Karnevalssitzungen – als steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe einzuordnen, weil bei diesen nicht die Pflege des Brauchtums, sondern die Pflege von Geselligkeit und Vergnügen im Vordergrund stehen.
Bei gemischten Veranstaltungen (Karnevalssitzungen mit Tanz- oder Turnierveranstaltungen mit Einlagen, wie Büttenreden, tänzerische und musikalische Darbietungen) ist für die steuerliche Behandlung darauf abzustellen, ob die Veranstaltung überwiegend den Charakter einer Karnevalssitzung (= Zweckbetrieb) oder einer Tanzveranstaltung (= steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, hat.
Im o.g. Verfahren ist streitig, ob die von einem Karnevalsverein traditionell am Karnevalssamstag veranstaltete Kostümparty „Nacht der Nächte” (Näheres dazu siehe Urteil) als unmittelbare Förderung des traditionellen Brauchtums in der Form des Karnevals zu qualifizieren ist und daher einen Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO begründen kann.
Das beklagte Finanzamt sah die Veranstaltung „Nacht der Nächte” als gemischte Veranstaltung mit überwiegendem Charakter einer Tanzveranstaltung an und behandelte sie als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Das Finanzgericht gab dagegen der Klage des Vereins statt. Ein Zweckbetrieb sei insbesondere bei zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch stattfindenden Veranstaltungen anzunehmen, wenn diese mit ausnahmslos kostümierten Teilnehmern, Musikbeiträgen mit karnevalistischem Liedgut, karnevalistischen Tanzdarbietungen und einem Auftritt der „Tollitäten” (Kölner Dreigestirn) inhaltlich eindeutig karnevalistisch geprägt sei und damit der Pflege des traditionellen Brauchtums diene und die satzungsmäßigen Zwecke des Karnevalvereins fördere.
Die Zweckbetriebseigenschaft sei nicht aufgrund des vorwiegend auf Geselligkeit, Musik und Tanz ausgerichteten Charakters der Veranstaltung abzusprechen, da gerade dies im Bereich des im Karneval bestehenden traditionellen Brauchtums nicht zweckfremd, sondern vielmehr zweckimmanent sei. Eine Abgrenzung danach, ob Elemente des traditionellen Brauchtums oder Elemente der allgemeinen Belustigung oder Unterhaltung der Zuschauer oder der Pflege der Geselligkeit einer karnevalistischen Veranstaltung „das Gepräge geben”, erscheint dem Finanzgericht nicht haltbar. Auch die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Nr. 2 und 3 AO sieht das Finanzgericht als erfüllt an.
Das Finanzamt hat die vom Finanzgericht zugelassene Revision eingelegt. Die anhängige Revision wurde zwischenzeitlich vom I. an den V. Senat des BFH abgegeben. Das Aktenzeichen des BFH lautet daher abweichend vom Juris-Ausweis nicht mehr I R 72/15, sondern V R 53/15.
Einspruchsverfahren, in denen sich Steuerpflichtige auf das anhängige Revisionsverfahren berufen, ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes.
Normenkette
AO 1977 § 65