OFD Frankfurt, Verfügung v. 12.8.2008, S 7100 b A - 1 - St 110
Bei der Anwendung der Vorschriften des § 1 Abs. 1a UStG ist – über die Anweisungen in Abschn. 5 UStR hinaus – Folgendes zu beachten:
1. Eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG muss es dem Erwerber ermöglichen, das Unternehmen ohne großen finanziellen Aufwand fortzuführen (siehe Abschnitt 5 Abs. 1 UStR).
Ist jedoch die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Veräußerers durch den Erwerber dem Grunde nach nicht möglich – vgl. BFH-Urteil vom 24.2.2005, V R 45/02 (HFR 2005 S. 889), so ist eine Geschäftsveräußerung im Ganzen zu verneinen.
Die Übereignung einzelner Betriebsgegenstände, die nicht im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG erfolgt, stellt je nachdem, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, einen steuerbaren Veräußerungs- oder Entnahmevorgang dar.
Hinsichtlich des Vorliegens einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ist die Beurteilung durch das FA des Veräußerers maßgebend.
2. Nach § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers. Dies hat Bedeutung insbesondere für die Anwendung des § 15a UStG. Dort wird durch Abs. 10 bestimmt, dass der für das Wirtschaftsgut maßgebliche Berichtigungszeitraum durch die Veräußerung des Geschäfts nicht unterbrochen wird. Das bedeutet, dass der Erwerber den vom Veräußerer begonnenen Berichtigungszeitraum fortzuführen hat und bei eintretenden Nutzungsänderungen den ursprünglichen Vorsteuerabzug des Veräußerers aus der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsgutes entsprechend § 15a UStG berichtigen muss. Der Veräußerer ist verpflichtet, dem Erwerber die für die Durchführung der Berichtigung erforderlichen Angaben zu machen (§ 15a Abs. 10 Satz 2 UStG).
Zur Überwachung der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG beim Erwerber wird gebeten die für den Veräußerer geführten Überwachungsblätter abzulichten und die Ablichtungen den Umsatzsteuerakten des Erwerbers vorzuheften. Auf den Ablichtungen ist zu vermerken, dass der Erwerber den Berichtigungszeitraum des Veräußerers nach § 15a Abs. 10 UStG fortführt.
Wird der Erwerber bei einem anderen FA geführt, wird gebeten die Ablichtungen der Überwachungsblätter unter Hinweis auf die Geschäftsveräußerung diesem FA zuzuleiten. Die dem FA vorliegenden Unterlagen über die Geschäftsveräußerung (z.B. Vertragsunterlagen) wird gebeten in diesen Fällen ebenfalls in Ablichtung beizufügen.
3. Da der Erwerber nach § 1 Abs. 1a UStG in die Rechtsstellung des Veräußerers eintritt, ist er bei dem Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs auch an die vom Veräußerer ggf. erklärte Option zur Regelbesteuerung nach § 24 Abs. 4 UStG gebunden. Der Erwerber hat deshalb seine Umsätze bis zum Ablauf der vom Veräußerer begonnenen Jahres-(Bindungs-)Frist ebenfalls nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu besteuern (§ 24 Abs. 4 Satz 2 UStG).
Entsprechendes gilt für die Bindungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG beim Verzicht des Veräußerers auf die Kleinunternehmerbesteuerung des § 19 Abs. 1 UStG.
4. Hat der Unternehmer für die nach § 1 Abs. 1a UStG nichtsteuerbare Veräußerung seines Geschäfts im Ganzen Umsatzsteuer im Kaufvertrag gesondert ausgewiesen, so handelt es sich bei der ausgewiesenen Umsatzsteuer um einen unrichtigen (zu hohen) Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG. Nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG steht es ihm jedoch unter Beachtung des § 14c Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Sätze 3-5 UStG frei, den fehlerhaften Steuerbetrag zu berichtigen. In diesem Fall ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden.
Die Anforderungen an eine wirksame Rechnungsberichtigung im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG sind im BMF-Schreiben vom 29.1.2004 (BStBl 2004l S. 258) geregelt. Bzgl. des Zeitpunktes des Wirksamwerdens der Rechnungsberichtigung wird auf das BFH-Urteil vom 29.10.1992, BStBl 1993 II S. 251 hingewiesen. Danach wird diese in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger tatsächlich zugeht.
5. Der fehlerhafte Steuerausweis kann nach § 14c Abs. 1 UStG zu einer Haftungsinanspruchnahme des Erwerbers in folgenden Fällen führen:
5.1 Wird die fehlerhafte Rechnung durch den Rechnungsaussteller nicht berichtigt und kann die Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG beim Veräußerer nicht erhoben werden, so kann der Erwerber unter den Voraussetzungen des § 75 AO i.V.m. § 191 AO als Betriebsübernehmer für die vom Veräußerer geschuldete Umsatzsteuer in Haftung genommen werden. Dies gilt jedoch nicht für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse oder im Vollstreckungsverfahren (§ 75 Abs. 2 AO).
Eine Haftungsinanspruchnahme ist auch möglich, wenn die fehlerhafte Rechnung vom Veräußerer erst nach dem Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs des Unternehmens gestellt wird und der Steueranspruch aus § 14c Abs. 1 UStG somit erst nach der Übereignung entsteht. Nach dem BFH-Urteil vom 6.10.1977, V R 50/74 (BStBl 1978 II S. 241) kommt es nicht darauf an, ob die Steuerschuld vor oder nach der Übereignung entstanden ist, sonder...