Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
Rz. 30
Einziehung (Amortisation) bedeutet die Vernichtung des Geschäftsanteils und der entsprechenden Mitgliedschaftsrechte durch die GmbH. Die in § 34 GmbHG geregelte Einziehung unterscheidet sich vom Erwerb eigener Geschäftsanteile dadurch, dass bei Letzterer der Geschäftsanteil bestehen bleibt. Die Einziehung aller Geschäftsanteile bzw. des letzten verbleibenden Geschäftsanteils ist nicht möglich, da eine anteilslose GmbH rechtlich nicht zulässig ist. Die Einziehung bietet folglich
- dem einzelnen Gesellschafter einerseits die Möglichkeit des Austritts aus der GmbH ohne Notwendigkeit einer Kapitalherabsetzung oder Auflösung der Gesellschaft und
- allen Gesellschaftern andererseits ein Instrument zum Ausschluss eines Gesellschafters bei Vorliegen satzungsmäßig bestimmter Gründe.
Rz. 31
Die Einziehung von Geschäftsanteilen kann freiwillig oder aber zwangsweise erfolgen. In beiden Fällen darf die Einziehung nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist (§ 34 Abs. 1 GmbHG). Eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags kann auch nachträglich durch eine Satzungsänderung vorgenommen werden (§ 53 GmbHG). Die Einziehung darf nur erfolgen, wenn die Einlage auf den betroffenen Geschäftsanteil vollständig geleistet wurde, da ein Gesellschafter nicht von der Einlageverpflichtung befreit werden kann. Die mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten gehen aber mit der Einziehung unter.
Rz. 32
Die Regelungen des § 34 GmbHG dienen unterschiedlichen Schutzzwecken:
- Schutz der (verbleibenden) Gesellschafter (§ 34 Abs. 1 GmbHG): Die Einziehung von Geschäftsanteilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. Der Gesellschaftermehrheit ist es somit nicht möglich, ohne Satzungsgrundlage die Einziehung von Geschäftsanteilen zu beschließen. Die Regelung verhindert die mit der Einziehung verbundenen mittelbaren Nachteile für die übrigen Gesellschafter, z. B. Verschiebung der Beteiligungsverhältnisse und Stimmgewichte, Kapitalabfluss durch Abfindungszahlungen, Erhöhung der anteiligen Subsidiärhaftung gemäß § 24 GmbHG i. V. m. § 31 Abs. 3 GmbHG.
- Schutz des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters (§ 34 Abs. 2 GmbHG): Die Einziehung von Geschäftsanteilen gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters unterliegt – insbesondere im Interesse des Minderheitenschutzes – erhöhten Anforderungen. Auch die zwangsweise Einziehung setzt eine Zulassung im Gesellschaftsvertrag voraus. Ohne die Zustimmung des Anteilsberechtigten findet die Einziehung nur statt, wenn die entsprechende Voraussetzung bereits vor dem Zeitpunkt des Erwerbs seines Geschäftsanteils im Gesellschaftsvertrag festgesetzt war. Diese Regelung verhindert, dass ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil auf eine bei seinem Eintritt unvorhersehbare Weise verliert.
- Schutz der Gläubiger (§ 34 Abs. 3 GmbHG): Unabhängig von der Einziehung von Gesellschaftsanteilen darf das gem. § 30 Abs. 1 GmbHG zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Die Regelung stellt sicher, dass ein Einziehungsentgelt nur gezahlt wird, wenn bei der Gesellschaft dadurch weder eine Unterbilanz entsteht noch eine schon bestehende Unterbilanz bzw. Verschuldung vergrößert wird. Gläubigerinteressen haben also Vorrang vor den Gesellschafterinteressen.
Rz. 33
Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist eine Handlung der Gesellschaft gegenüber dem betroffenen Gesellschafter (einseitiges Rechtsgeschäft), welche durch Gesellschafterbeschluss getroffen wird (§ 46 Nr. 4 GmbHG). Eine automatische Einziehung ohne selbstständigen Gesellschafterbeschluss ist jedoch nicht zulässig, selbst wenn eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag getroffen wurde. Der Einziehungsbeschluss allein ist jedoch nicht ausreichend; vielmehr ist darüber hinaus eine Einziehungserklärung gegenüber dem Anteilsinhaber als einseitige formlose, aber empfangsbedürftige Willenserklärung erforderlich.
Rz. 34
Mit der Erklärung der Einziehung ist der Geschäftsanteil nicht nur – wie bei der Kaduzierung (§ 21 GmbHG), der Preisgabe (§ 27 GmbHG) oder dem Erwerb von eigenen Anteilen durch die Gesellschaft (§ 33 GmbHG) – dem bisherigen Anteilsinhaber entzogen, sondern der Anteil wird vernichtet. Die Vernichtung des Geschäftsanteils führt dazu, dass grundsätzlich alle mit ihm verbundenen Rechte und Pflichten untergehen. Die Einziehung des Geschäftsanteils lässt das Stammkapital der GmbH unverändert, es sei denn, dass zugleich eine Kapitalherabsetzung nach § 58 GmbHG vorgenommen wird.
Neben der Kapitalherabsetzung sind 2 weitere Möglichkeiten denkbar, um eine Differenz zwischen der Summe der Geschäftsanteile und des Stammkapitals zu vermeiden. Zum einen kann mit der Einziehung ein sog. Aufstockungsbeschluss gefasst werden, sodass die verbliebenen Anteile jeweils um den auf sie entfallenden Teil des eingezogenen Geschäftsanteils erhöht werden. Zum anderen ist die Neubildung eines Geschäftsante...