Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Übt eine Personengesellschaft neben einer freiberuflichen auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so ist die Tätigkeit auch dann infolge der "Abfärberegelung" des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich anzusehen, wenn die gewerbliche Tätigkeit von der Gewerbesteuer befreit ist. Die Gewerbesteuerbefreiung erstreckt sich in solchen Fällen jedoch auch auf die Tätigkeit, die ohne die "Abfärbung" freiberuflich wäre.
Normenkette
§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG , § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG , § 3 Nr. 20 GewStG
Sachverhalt
Drei Augenärzte betrieben eine Gemeinschaftspraxis mit angeschlossener Augenklinik. Sowohl aus der Praxis als auch aus der Klinik ergaben sich erhebliche Gewinne. Diese wurden aufgrund einer einheitlichen Gewinnermittlung als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erklärt. Das FA behandelte den gesamten Gewinn als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sah aber den auf die Klinik entfallenden Teil als gewerbesteuerbefreit an. Die Klage gegen den Gewerbesteuer-Messbescheid hatte Erfolg. Der BFH bestätigte das FG-Urteil.
Entscheidung
Die Abfärbung müsse nach dem Zweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auch für gewerbesteuerbefreite Tätigkeiten gelten. Ziel der Regelung sei es, neben der Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Einkunftsermittlung, zu verhindern, dass gewerbliche Einkünfte der GewSt entzogen werden. Dazu könne es bei von der GewSt befreiten Einkünften nicht kommen, so dass auch die Gewerbesteuerbefreiung abfärbe.
Hinweis
1. Übt ein Freiberufler zugleich noch eine gewerbliche Tätigkeit aus, besteht leicht die Gefahr, dass auch die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit vom FA als gewerbesteuerpflichtig angesehen werden. Wenn man die Rechtsprechung des BFH beachtet, ist es aber meist möglich, dieses Risiko auszuschließen. Voraussetzung dafür ist, dass beide Tätigkeiten so voneinander getrennt werden, dass sie sich nicht unlösbar gegenseitig bedingen. Das gilt selbst dann, wenn zwischen den Tätigkeiten sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte bestehen. Misslingt diese Trennung, sind die gesamten Einkünfte einer Einkunftsart zuzuordnen, und zwar derjenigen, die der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt. Die einheitliche Betrachtung hat also bei einer Einzelperson keineswegs zwingend eine Zuordnung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zur Folge.
2. Anders verhält es sich mit einer Personengesellschaft. Ist diese teilweise gewerblich tätig, werden ihre gesamten Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als gewerblich behandelt (sog. Abfärbetheorie). Grund für diese ursprünglich von der Rechtsprechung geschaffene Theorie ist es, die Schwierigkeiten zu vermeiden, mit denen die Ermittlung von Einkünften unterschiedlicher Art verbunden wäre. Seit langem werden dagegen verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, die aber den BFH bisher nicht überzeugt haben. Immerhin ist durch ein Urteil vom 11.8.1999 (XI R 12/98, BStBl II 2000, 229) eine gewisse Entschärfung vorgenommen worden, weil danach äußerst geringfügige gewerbliche Tätigkeiten (dort 1,25 % des Umsatzes) nicht zur Abfärbung führen sollen.
3. Das hiesige Urteil scheint in die entgegengesetzte Richtung zu gehen und eine weitere Verschärfung zu enthalten. Denn der BFH misst nun auch einer gewerbesteuerfreien gewerblichen Tätigkeit Abfärbewirkung zu. Dieser Meinung war auch das FA gewesen und hatte deshalb die freiberuflichen Einkünfte der GewSt unterworfen, die abfärbenden gewerblichen Einkünfte aber wegen der Gewerbesteuerbefreiung natürlich nicht. Erst auf den zweiten Blick wird klar, dass der BFH dieses Ergebnis nicht billigt. Denn wenn schon die Tätigkeit abfärbt, muss auch die Gewerbesteuerbefreiung abfärben. Also fällt für alle Einkünfte keine GewSt an.
4. Um unerwünschte Folgen zu vermeiden, sollte vor allem bei einer Personengesellschaft auf eine formale Trennung der verschiedenen Tätigkeiten geachtet werden. Dies ist leicht durch Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeit auf eine zweite personenidentische Personengesellschaft zu bewerkstelligen. Weder Finanzverwaltung noch BFH sehen darin einen Gestaltungsmissbrauch.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.8.2001, IV R 43/00