Leitsatz
Der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG für Personengesellschaften steht auch einer Kapitalgesellschaft zu, an deren gewerblichem Unternehmen nur eine andere Kapitalgesellschaft als atypischer stiller Gesellschafter beteiligt ist.
Normenkette
§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG
Sachverhalt
Eine GmbH beteiligte sich atypisch still an dem Handelsgewerbe einer anderen GmbH. Das FA war der Auffassung, einer nur aus Kapitalgesellschaften bestehenden Personengesellschaft könne der gewerbesteuerliche Freibetrag von jetzt 24 500 € nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG nicht gewährt werden. Das FG gab der Klage statt (EFG 2005, 1292).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Auch eine nur aus Kapitalgesellschaften bestehende Personengesellschaft erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Freibetrag. Eine einschränkende Auslegung sei nicht geboten.
Hinweis
1. Der gewerbesteuerliche Freibetrag von derzeit 24 500 € wird nur natürlichen Personen und Personengesellschaften gewährt. Wie der BFH im Besprechungsurteil klarstellt, soll der Freibetrag typisierend den Unternehmerlohn von der GewSt freistellen, um Personenunternehmen nicht schlechter als Kapitalgesellschaften zu behandeln. Letztere ziehen ja das Gehalt des Gesellschafter-Geschäftsführers auch mit Wirkung für die GewSt als Betriebsausgabe ab.
2. Eine aus Kapitalgesellschaften zusammengesetzte Personengesellschaft bedürfte demgemäß keiner Begünstigung durch einen Freibetrag, denn alle Gesellschafter ziehen bereits ihre Geschäftsführergehälter als Betriebsausgabe ab. Auf diesen Gedanken hatte sich das FA berufen.
3. Dass der BFH diesem naheliegenden Gedankengang nicht folgt, hat vor allem zwei Gründe.
a) Erstens meint der BFH, wenn man alle Gesellschaften, an denen nur Kapitalgesellschaften beteiligt seien, aus dem Tatbestandsmerkmal „Personengesellschaft” ausnehme, sei das eine zu starke Einschränkung des Wortlauts. Der Gesetzgeber selbst hätte diese Einschränkung vornehmen müssen. Außerdem werde der Freibetrag auch nach Meinung der Finanzverwaltung solchen atypisch stillen Gesellschaften gewährt, bei denen sich eine natürliche Person am Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft beteilige, obwohl es auch in diesem Fall keinen Grund für die Steuerfreistellung eines Unternehmerlohns gebe.
b) Zweitens habe der Gesetzgeber das Problem erkannt, aber bewusst keine Änderung des § 11 GewStG vorgenommen. Im Gesetzgebungsverfahren zum StEntlG 1999/2000/2002 sei ursprünglich ein § 11 Abs. 2a GewStG vorgeschlagen worden, der Personengesellschaften von der Begünstigung ausnehmen sollte, „an denen im gesamten Erhebungszeitraum ausschließlich juristische Personen unmittelbar oder mittelbar über andere Personengesellschaften beteiligt sind”.
Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Vorschlag nicht weiter verfolgt, weil man keine Möglichkeit zur Beschränkung der Begünstigung ohne eine Benachteiligung mittelständischer GmbH & Co. KG gesehen habe.
4. Die Entscheidung betrifft mittelbar zugleich den Staffeltarif nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 GewStG. Auch diese Vergünstigung kann von allen Personengesellschaften ungeachtet der Rechtsform ihrer Gesellschafter in Anspruch genommen werden. Beachten Sie aber, dass der Staffeltarif durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 mit Wirkung ab 2008 abgeschafft worden ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.08.2007, IV R 47/05