Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Auslegung der 6. EG-RL vorgelegt:
Darf der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs ein Grundstück, das er bisher für Umsätze verwendet hat, die der Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger (Art. 25 der 6. EG-RL) unterliegen, einer nach der normalen Mehrwertsteuerregelung steuerpflichtigen Tätigkeit durch Verpachtung zuordnen und die Vorsteuer für einen auf dem Grundstück errichteten Hähnchenmaststall abziehen?
Normenkette
§ 24 Abs. 1 UStG , Art. 25 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Landwirt mit Durchschnittsatzbesteuerung (§ 24 UStG) errichtete auf einem bis 1996 selbst landwirtschaftlich genutzten Grundstück, das er – so das FG – im Dezember 1996 in das "Privatvermögen" entnommen hatte, im Jahr 1997 (Streitjahr) einen Hähnchenmaststall. Diesen vermietete er seiner Ehefrau (ebenfalls Landwirtin auf vom Kläger gepachteten Land) unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG.
Bei Eigennutzung des Hähnchenmaststalls hätte der Kläger die landwirtschaftlichen Tierhaltungsgrenzen (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG) überschritten.
Das FA und das FG waren der Auffassung, die Verpachtungsumsätze unterlägen der Durchschnittsatzbesteuerung und ein weiterer als der pauschalierte Vorsteuerabzug komme nicht in Betracht (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG).
Entscheidung
Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die im Leitsatz bezeichnete Frage zur Auslegung der 6. EG-RL vor.
Dessen Entscheidung wird insgesamt für die Auslegung des § 24 UStG von Bedeutung sein. Denn § 24 UStG ist – nicht zuletzt mit den Bezügen auf das nationale Bewertungsrecht – mit der 6. EG-RL nicht ganz kompatibel (vgl. Klenk, UR 2001, 597).
Hinweis
Führt ein Unternehmer neben Umsätzen im landwirtschaftlichen Betrieb, die nach § 24 UStG pauschal besteuert werden, auch Umsätze außerhalb dieses landwirtschaftlichen Betriebs aus, unterliegen diese Umsätze der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG (z.B. Handel mit eingekauften landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Verpachtung landwirtschaftlicher Geräte für gewerbliche Dienstleistungen); der land- und forstwirtschaftliche Betrieb ist dann als ein in der Gliederung gesondert geführter Betrieb zu behandeln (§ 24 Abs. 3 UStG).
Grundsätzlich hat der Unternehmer die Wahl, ob und in welchem Umfang ein Gegenstand, den er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet, zu seinem Unternehmen gehören soll oder nicht. Zweifelhaft ist, ob diese Grundsätze sinngemäß für die Zuordnung eines Gegenstands zum getrennt zu beurteilenden, pauschalbesteuerten landwirtschaftlichen Betrieb (§ 24 Abs. 3 UStG) oder zum regelbesteuerten Unternehmen gelten und dementsprechend der Pauschallandwirt einen Gegenstand, der im Ergebnis – z.B. durch Verpachtung an einen familienangehörigen Landwirt – landwirtschaftlicher Erzeugertätigkeit oder Dienstleistung dient, seinem der Pauschalregelung unterliegenden Unternehmensteil zuordnen muss (Folge: kein weiterer Vorsteuerabzug bei Investitionen) oder – zur Erreichung des Vorsteuerabzugs für Bauinvestitionen – seinem der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmensteil zuordnen darf.
Grundlage für § 24 UStG ist Art. 25 der 6. EG-RL. Danach gelten als "landwirtschaftliche Dienstleistungen" die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines land-/forst-/fischwirtschaftlichen Betriebs vorgenommenen Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, u.a. ...die Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken. Die Verpachtung ist nicht erwähnt.
Zweifelhaft ist die Abgrenzung der autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriffe Vermietung und Verpachtung und weiter, ob dieser Tatbestand ("Vermietung normalerweise...") erfüllt ist, wenn die verpachteten Gegenstände ab der Verpachtung nicht mehr der landwirtschaftlichen Produktion des Steuerpflichtigen, sondern der eines Familienangehörigen dienen. Nicht zweifelsfrei ist weiter, ob es für die Beurteilung des Gemeinschaftsrechts bedeutsam sein kann, ob der Pächter (hier: die Ehefrau des Klägers) den Hähnchenmaststall als Pauschallandwirt oder als ein der normalen Mehrwertsteuerregelung unterliegender Landwirt gepachtet hat (vgl. Art. 25 Abs. 5 Satz 1 der 6. EG-RL).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 22.1.2004, V R 60/01