Nach § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG gilt, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a, 2b bzw. 3 GrEStG nicht in Betracht kommt, als Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG auch ein solcher, auf Grund dessen ein Rechtsträger unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, innehat. Bei § 1 Abs. 3a GrEStG handelt es sich um eine weitere Missbrauchsvermeidungsvorschrift. § 1 Abs. 3a GrEStG ist gegenüber § 1 Abs. 3 GrEStG ein eigenständiger Steuertatbestand, da die von beiden Vorschriften erfassten Besteuerungssachverhalte nicht deckungsgleich sind.[2]
Im Verhältnis zu §§ 5, 6 GrEStG gelten hier die Grundsätze zur Anwendung in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. Tz. 5.8.2) entsprechend.
Wirtschaftliche Beteiligung aufgrund Anteilsübertragung
A veräußert im Jahr 01 ein ihm gehörendes Grundstück an eine OHG, an deren Vermögen er mit 95 % und B mit 5 % als Gründungsgesellschafter beteiligt sind. Im Jahr 02 überträgt A 85 % der Anteile am Vermögen der OHG auf B. Im Jahr 03 überträgt B 90 & der Anteile am Vermögen der OHG auf Z.
Schaubild
Lösung:
Jahr 01:
Für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksübertragung wird die Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG mit 95 % nicht erhoben, da A in dieser Höhe unmittelbar am Vermögen der OHG beteiligt ist.
Jahr 02:
Die Anteilsübertragung von A auf B stellt keinen steuerbaren Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG dar, da B Altgesellschafter der grundbesitzenden OHG ist. In der Hand des B löst die Übertragung von 85 % des Anteils am Vermögen der OHG von A auf B nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG aus. Denn im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG ist bei Personengesellschaften bei einem unmittelbaren Anteilserwerb unter "Anteil an der Gesellschaft" die aus § 24 GrEStG folgende sachenrechtliche Mitberechtigung und nicht die vermögensmäßige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zu verstehen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG ist auf der Ebene des B verwirklicht, da B erstmalig eine wirtschaftliche Beteiligung i. H. v. 90 % innehat.
Eine Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG kommt nicht in Betracht, da der Tatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG durch die Verminderung des Anteils des A am Vermögen der Gesamthand i. H. v. 85 % in einem Rechtsakt vollzogen wurde und deshalb eine Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen ist.
Die Steuerfestsetzung für das Jahr 01 ist nicht zu ändern.
Jahr 03:
Durch die Anteilsübertragung von B auf Z wird der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG verwirklicht, hinter den der ebenfalls verwirklichte § 1 Abs. 3a GrEStG zurücktritt.
Durch die Änderung des Gesellschafterbestandes i. H. v. mindestens 90 % innerhalb von 10 Jahren wird grunderwerbsteuerrechtlich ein Grundstückserwerb von einer neuen OHG fingiert mit der Folge, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG anzuwenden ist. Da A i. H. v. 10 % am Vermögen der OHG beteiligt bleibt, ist die Steuer in dieser Höhe nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht zu erheben.
§ 1 Abs. 6 GrEStG kommt nicht zur Anwendung.[3]
Wirtschaftliche Beteiligung aufgrund Anteilsübertragung
Am Vermögen einer OHG sind als Gründungsgesellschafter A und B zu je 45 % und C zu 10 % beteiligt. A überträgt im Jahr 01 ein Grundstück auf die OHG. Im Jahr 02 überträgt A 10 % der Anteile am Vermögen der OHG auf B. Im Jahr 03 überträgt A die restlichen Anteile auf B.
Schaubild
Lösung:
Jahr 01:
Für die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Grundstücksübertragung wird die Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG i. H. v. von 45 % nicht erhoben, weil A in dieser Höhe unmittelbar am Vermögen der OHG beteiligt ist.
Jahr 02:
Die Anteilsübertragung stellt eine Anteilsminderung dar, für die die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG i. H. v. 10 % rückwirkend zu versagen ist. Die Steuerfestsetzung für das Jahr 01 ist zu ändern.[4] Die Überwachung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist bezüglich der verbleibenden Anteile des A an der OHG (35 %) fortzuführen.
Jahr 03:
§ 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist wegen der Altgesellschafterstellung des B nicht verwirklicht. § 1 Abs. 3 GrEStG wird durch die Anteilsübertragung aufgrund der aus § 24 GrEStG folgenden sachenrechtlichen Mitberechtigung des C nicht verwirklicht.
Aufgrund der Anteilsübertragung hat B erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung i. S. d. § 1 Abs. 3a Satz 1 GrEStG von 90 % inne. Der Vorgang ist in Höhe seiner seit mindestens 10 Jahren bestehenden Beteiligung i. H. v. 45 % nach § 6 Abs. 2 GrEStG begünstigt.
Die Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG ist dem B auch für die in den Jahren 02 und 03 hinzuerworbenen Anteile in Höhe von 10 % bzw. 35 % zu gewähren. Die Vergünstigung ist nicht nach § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG ausgeschlossen, da die Übertragung dieser Anteile nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zu einer Versagung der Ver...
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