Danielle Bettinger, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Zunächst ist der jährliche Rohertrag des Grundstücks zu ermitteln. Dazu wird die Wohnfläche (in qm) des Grundstücks mit der typisierten monatlichen Nettokaltmiete (in EUR pro qm) nach Anlage 39 zum BewG multipliziert. Die monatlichen durchschnittlichen Nettokaltmieten differenzieren dabei je nach Bundesland, Gebäudeart, Wohnungsgröße und Baujahr des Gebäudes. Je nachdem, in welcher Gemeinde sich das Grundstück befindet, ist ggf. ein Zu- oder Abschlag bei den Mietansätzen über die sog. Mietniveaustufe zu berücksichtigen. Durch die 7 Mietniveaustufen, in die jede Gemeinde in Deutschland eingestuft wurde, wird den lagebedingten Wertunterschieden, die sich regelmäßig im Mietzins niederschlagen, Rechnung getragen. Wertunterschiede innerhalb einer Gemeinde bleiben jedoch unberücksichtigt und wirken sich nur über den Bodenrichtwert bei der Ermittlung des abgezinsten Bodenwerts aus. Sollten sich auf dem Grundstück (Tief-)Garagenstellplätze für Kfz befinden, ist pro Stellplatz ein Festwert von 35 EUR monatlich zu berücksichtigen. Carports und andere Außenstellplätze werden nicht gesondert angesetzt. Die Mietsätze sind Monatsbeträge und sind für alle Wohnungen und Garagenstellplätze der wirtschaftlichen Einheit auf einen Jahresbetrag hochzurechnen. Im Ergebnis erhält man den jährlichen Rohertrag.
Von dem jährlichen Rohertrag sind im nächsten Schritt die Bewirtschaftungskosten lt. Anlage 40 zu § 255 BewG abzuziehen. Diese sind in Abhängigkeit von der Grundstücksart nach § 249 BewG und der Restnutzungsdauer des Gebäudes zu bestimmen.
Die Restnutzungsdauer des Gebäudes berechnet sich aus der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes nach Anlage 38 zu § 253 BewG abzüglich des Alters des Gebäudes am Bewertungsstichtag. Für Gebäude die überwiegend zu Wohnzwecken genutzt werden, wird einheitlich eine wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren vorgegeben. Nach Ablauf der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes wird jedoch gleichwohl ein Restwert des Gebäudes angesetzt, da man auch bei älteren Gebäuden davon ausgeht, dass sie durch Instandhaltungsmaßnahmen weiterhin benutzbar und von gewissem Wert sind. Aus diesem Grund ist eine Mindestrestnutzungsdauer von 30 % der Gesamtnutzungsdauer zu berücksichtigen. Im Ertragswertverfahren ist daher von einer Mindestrestnutzungsdauer von 24 Jahren auszugehen.
Dies gilt allerdings nicht, wenn für das Gebäude eine Abbruchverpflichtung besteht. In diesem Fall wird die Restnutzungsdauer eines Gebäudes zum Bewertungsstichtag auf die tatsächlich verbleibende Restnutzungsdauer verkürzt. Wurde das Gebäude hingegen kernsaniert, so wird von einer entsprechend verlängerten Restnutzungsdauer ausgegangen. Die verlängerte Restnutzungsdauer wirkt sich aus Vereinfachungsgründen dergestalt auf die Bewertung des Gebäudes aus, dass im Jahr des Abschlusses der Kernsanierung von einer Restnutzungsdauer i. H. v. 90 % ausgegangen wird. Für Gebäude, die im Ertragswertverfahren bewertet werden, bedeutet das konkret, dass die Restnutzungsdauer im Jahr der Kernsanierung 72 Jahre beträgt und auf dieser Basis entsprechend die Restnutzungsdauer zum Feststellungszeitpunkt berechnet wird.
Kernsanierung
Von einer Kernsanierung ist auszugehen, wenn nicht nur der Ausbau des Gebäudes (z. B. Erneuerung der Heizungs- und Sanitäranlagen und der Fenster), sondern auch der Rohbau zumindest teilweise erneuert wurde. Das Gebäude muss durch die Sanierungsmaßnahmen in einen Zustand versetzt worden sein, der mit dem eines neuen Gebäudes vergleichbar ist.
Voraussetzungen für eine Kernsanierung sind die komplette Erneuerung von:
- Dacheindeckung,
- Fassade,
- Innen- und Außenwänden (ohne die tragenden Wände),
- Fußböden,
- Fenstern,
- Innen- und Außentüren und
- sämtlicher technischer Systeme (z. B. Heizungsanlagen einschließlich aller Leitungen, Abwassersystem einschließlich aller Grundleitungen, elektrische Leitungen, Wasserversorgungsleitungen).
Die o. g. Kriterien müssen nicht zwingend gleichzeitig erfüllt sein. Insbesondere bei Gebäuden oder Gebäudeteilen, die aufgrund baurechtlicher Vorgaben (z. B. aufgrund des Denkmalschutzes) nicht uneingeschränkt veränderbar sind, kann eine Kernsanierung auch dann vorliegen, wenn nicht sämtliche o. g. Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden.
Durch die Bewirtschaftungskosten sollen Nebenkosten, die nicht über die Umlage abgewälzt oder in anderer Weise übernommen werden, wie z. B. jährliche Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungskosten und das Mietausfallwagnis, abgebildet werden. Auch hier ist ein Ansatz der tatsächlichen Kosten nach dem BewG nicht vorgesehen. Als Ergebnis der Berechnung erhält man den Reinertrag.
Der Reinertrag ist anschließend mit dem Vervielfältiger aus Anlage 37 zum BewG zu multiplizieren. Für die Auswahl des Vervielfältigers sind die Restnutzungsdauer (ergibt sich aus der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes lt. Anlage 38 zum BewG abzüglich des Alters des Gebäudes am Bewertungsstichtag; beträgt aber mindestens 30 % der Gesamtnutzungsda...