Leitsatz
Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der mehreren Erwerbstätigkeiten nachgeht, kann auch dann den Betätigungsmittelpunkt i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG bilden, wenn der qualitative Schwerpunkt einzelner Tätigkeiten nicht im häuslichen Arbeitszimmer liegt.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG , § 9 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erzielte 1997 als Revisor eines Verbands Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit; bei seinem Arbeitgeber stand ihm kein Arbeitsplatz zur Verfügung. Ferner war der Kläger freiberuflich als Mitherausgeber und Autor eines Kommentars tätig; hieraus erzielte er im Streitjahr 1997 noch keine Einnahmen.
Im Dachgeschoss seines Einfamilienhauses nutzte der Kläger einen Raum als Arbeitszimmer. Hierfür machte er Aufwendungen in Höhe von ca. 18.500 DM als Werbungskosten geltend. Das FA berücksichtigte nur einen Betrag in Höhe von 2.400 DM. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung an das FG. Diesem wurde aufgegeben – auf der Grundlage der in den Praxis-Hinweisen angeführten Rechtsauffassung des BFH –, zunächst (in einem ersten Schritt) den jeweiligen Betätigungsmittelpunkt der beruflichen (Revisor) und betrieblichen (freiberuflichen) Tätigkeit des Klägers zu bestimmen, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit des Klägers zu ermitteln.
Hinweis
1. Der BFH hat schon mehrfach entschieden, dass das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen (mit nur einer Erwerbstätigkeit), der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, dann den Betätigungsmittelpunkt bildet, wenn dort die für den ausgeübten Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten verrichtet werden.
Maßgeblich ist also der qualitative Schwerpunkt der beruflichen Betätigung, während dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers nur eine indizielle Bedeutung zukommt. Dabei kann das häusliche Arbeitszimmer selbst dann (noch) den Mittelpunkt einer beruflichen Betätigung bilden, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten zeitlich überwiegen (siehe insbesondere BFH, Urteile jeweils vom 13.11.2002, VI R 28/02, BFH-PR 2003, 215; VI R 104/01, BFH-PR 2003, 217; VI R 82/01, BFH-PR 2003, 217; vom 29.4.2003, VI R 78/02, )BFH-PR 2003, 347. Dieser Rechtsprechung des VI. Senats haben sich andere Senate des BFH angeschlossen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 23.1.2003, IV R 71/00, BFH-PR 2003, 266).
2. Bisher noch nicht ausdrücklich entschieden war die Frage, wie der Mittelpunkt bei mehreren Erwerbstätigkeiten eines Steuerpflichtigen zu bestimmen ist. Insbesondere die Verwaltung hatte den Gesetzestext ("Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung") dahingehend interpretiert, das Arbeitszimmer müsse für jede Einzeltätigkeit den Mittelpunkt bilden; nur dann könnten die Aufwendungen in vollem Umfang berücksichtigt werden. Diese Interpretation des Satzes 3 führte insbesondere zu dem – nicht nachvollziehbaren und teilweise heftig kritisierten – Ergebnis, dass eine zusätzliche berufliche/betriebliche (Neben-)Tätigkeit (deren Schwerpunkt außer Haus lag) einen Vollabzug der Aufwendungen zunichte machte. Dieser (einengenden) Auffassung hat der VI. Senat nunmehr nachdrücklich widersprochen.
3. Bereits in einer früheren Entscheidung (BFH, Urteil vom 23.9.1999, VI R 74/98, BStBl II 2000, 7) hatte der VI. Senat ausgeführt, dass angesichts des gesetzlichen Wortlauts eine Auslegung im Sinn einer Einzelbetrachtung ausgeschlossen sei.
In der vorliegenden Besprechungsentscheidung hat der VI. Senat seine (bisherige) Rechtsprechung im Einzelnen dargelegt und präzisiert. Der Betätigungsmittelpunkt bei mehreren Tätigkeiten kann nur im Weg einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Erwerbstätigkeiten des Steuerpflichtigen bestimmt werden. Der Wortlaut "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung" ist eindeutig und ermöglicht keine andere Auslegung. Es genügt – einerseits – nicht, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt (nur) einer von mehreren Tätigkeiten bildet. Andererseits geht aus der gesetzlichen Regelung auch nicht hervor, dass das Arbeitszimmer Betätigungsmittelpunkt hinsichtlich einer jeder einzelnen beruflichen/betrieblichen Tätigkeit sein muss.
4. Um der Praxis die Zuordnung zu erleichtern, hat der BFH verschiedene Fallgruppen gebildet:
4.1. Bilden die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten jeweils den qualitativen Schwerpunkt der betreffenden Einzeltätigkeit, so liegt – naturgemäß – dort auch der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit.
4.2. Bilden die außerhäuslichen Tätigkeiten den qualitativen Schwerpunkt der jeweiligen Einzeltätigkeiten, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.
4.3. Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer von verschiedenen Erwerbstätigkeiten, müssen die Finanzämter bzw. die F...