Leitsatz
1. Die Haftung eines inländischen Kreditinstituts für die ErbSt eines nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnhaften Erben gem. § 20 Abs. 6 S. 2 ErbStG erstreckt sich bis zur Höhe des ausgezahlten Betrags auf die ErbSt für den gesamten dem Erben angefallenen Erwerb von Todes wegen einschließlich eines Erwerbs aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall.
2. Soweit die Haftung des Kreditinstituts gem. § 20 Abs. 6 S 2 ErbStG auch dann eingreift, wenn der nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnhafte Berechtigte nicht Erbe ist, sondern Vermögen ausschließlich aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall erworben hat, ist das für die Haftung erforderliche Verschulden nur anzunehmen, wenn das Kreditinstitut dem Berechtigten das Vermögen nach Veröffentlichung des Urteils vom 12.03.2009, II R 51/07 zur Verfügung stellt.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Nr. 4, § 20 Abs. 6 S. 2 ErbStG
Sachverhalt
Der Erblasser hatte bei der Klägerin, einer Bank, ein Sparkonto sowie ein Girokonto mit Guthaben von jeweils rd. 100 000 DM und bei einer weiteren Bank ein Konto über 18 000 DM. Das Girokonto fiel in den Nachlass. Die beiden anderen Guthaben fielen der in den USA lebenden Alleinerbin aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall zu.
Die Alleinerbin zahlte die nach dem gesamten Erwerb von Todes wegen bemessene Steuer nicht. Eine Pfändung bei der Klägerin als Drittschuldnerin blieb erfolglos, da die Klägerin die Guthaben bereits an die Alleinerbin ausgezahlt hatte.
Daraufhin nahm das FA die Klägerin als Haftende nach § 20 Abs. 6 S. 2 ErbStG in Anspruch, und zwar in Höhe der gesamten festgesetzten Steuer, aber beschränkt auf das Girokonto. Die Auszahlung des Guthabens auf dem Sparkonto habe keine Haftung begründet, da es nicht Nachlassvermögen geworden sei.
Die Klage, mit der die Klägerin beantragt hatte, die Haftung auf die Steuer zu beschränken, die auf den Erwerb des Girokontoguthabens entfiel, blieb erfolglos (FG Köln, Urteil vom 08.11.2007, 9 K 2200/06, Haufe-Index 1855240, EFG 2008, 475).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision zurück. Zahlt die Bank das Guthaben auf einem in den Nachlass gefallenen Konto des Erblassers zumindest fährlässig an den nicht im Geltungsbereich des ErbStG wohnenden Erben aus, haftet die Bank bis zur Höhe des ausgezahlten Betrags für die gesamte Steuer auf den Erwerb des Erben von Todes wegen, und daher auch für die Steuer auf einen Erwerb gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Zumindest fahrlässig handelt die Bank, wenn sie das Guthaben ausbezahlt, ohne vorher zu prüfen, ob eine Haftung nach § 20 Abs. 6 ErbStG in Betracht kommt.
Hinweis
1. Nach § 20 Abs. 6 S. 2 ErbStG haften Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet, insoweit, als sie das Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung oder Sicherstellung der ErbSt ins Ausland bringen oder im Ausland wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellen, in Höhe des ausgezahlten Betrags für die Steuer.
2. Zu diesen Personen zählen insbesondere Banken, und zwar nicht nur hinsichtlich des Erblasservermögens, das sich in ihren Schließfächern befindet, sondern auch hinsichtlich der Guthaben auf den bei ihnen geführten Konten. Der Gegenwert dieser Guthaben befindet sich in ihrem Gewahrsam.
3. Bis zur Höhe des ausgereichten Vermögens haften die Banken für die gesamte ErbSt, die aufgrund eines Erwerbs von Todes wegen festzusetzen war. Das bedeutet zweierlei:
a)Die Haftung ist nicht etwa auf den Teil der ErbSt beschränkt, der durch das in Gewahrsam der Bank befindliche Erblasservermögen ausgelöst wurde. Die Frage, wie ein solcher Teilbetrag zu berechnen wäre, stellt sich daher nicht.
b)Die Haftungsobergrenze bestimmt sich nicht nur insoweit nach dem von der Bank verwahrten Erblasservermögen, als dieses in den Nachlass gefallen ist. Vielmehr bestimmt das verwahrte Erblasservermögen den Umfang der Haftung auch insoweit, als es den Erwerbern "am Nachlass vorbei", aber i.S.d. § 3 ErbStG von Todes wegen zugekommen ist. Dazu zählen die Erwerbe nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, also aufgrund von Verträgen des Erblassers mit der Bank zugunsten Dritter, bei denen der Dritte die Leistung erst nach dem Tod des Erblassers erhält (dazu BFH, Urteil vom 17.10.2007, II R 8/07, BFH/NV 2008, 572).
Das Erstrecken der Haftung auf die Steuer auch für derartige Erwerbe "am Nachlass vorbei" rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass in § 20 Abs. 6 S. 2 ErbStG nicht von verwahrtem Nachlassvermögen die Rede ist, sondern vom Vermögen des Erblassers und damit vom Vermögen vor seinem Tod.
4. Fahrlässig handelt die Bank, wenn sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB analog). Dabei kann sich die Bank nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten und -fähigkeiten des einzelnen kontoführenden Angestellten berufen. Sie muss vielmehr sicherstellen, dass die Prüfung, ob eine Haftung nach § 20 Abs. 6 ErbStG in Betracht kommt, von ausreichend qualifiziertem Personal vorgenommen wird (BFH, Urteil vom 18.07.2007, II R 18/06, BFH/NV ...