Leitsatz
Muss der Verfügungsberechtigte nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG ihm ab dem 1.7.1994 zustehende Mietentgelte an den Restitutionsberechtigten herausgeben, so kann er diese Ausgabe im Jahr ihres Abflusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zwar Steuer mindernd geltend machen; er kann aber nicht nach § 163 AO beanspruchen, dass ihm in den Jahren seiner Vermietungstätigkeit ab 1.7.1994 von vornherein keine Einkünfte zugerechnet werden.
Normenkette
§ 163 AO , § 227 AO , § 11 Abs. 2 EStG , § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG , § 7 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 VermG
Sachverhalt
Die Klägerin war Miteigentümerin eines vermieteten Grundstücks in Berlin, das nach den § § 3 ff. VermG durch Bescheid vom 22.2.1999 an die Bundesrepublik Deutschland zurückübertragen wurde. Die neue Eigentümerin machte ihren Anspruch auf Herausgabe der Nutzungsentgelte gem. § 7 Abs. 7 VermG geltend, der in den Jahren 1999 und 2000 befriedigt wurde. Das zuständige FA rechnete der Klägerin im Rahmen der Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die laufenden Einkünfte aus der Vermietung bis zur Rückübertragung zu. Die herausgegebenen Nutzungsentgelte erfasste es als negative Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in den Jahren 1999 und 2000.
Die Klägerin beantragte bei dem Wohnsitzfinanzamt (FA), die Einkünfte aus der Grundstücksgemeinschaft für die Jahre 1994 ff. aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO außer Ansatz zu lassen. Das FA lehnte den Antrag ab. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Eine Billigkeitsmaßnahme gem. § 163 AO sei nicht geboten. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten die Mietentgelte zwar nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG bis zur Rückübertragung des Eigentums dem Verfügungsberechtigten "zustehen". Gleichwohl nutze bis zur Bestandskraft des Rückübertragungsanspruchs als Entstehungszeitpunkt des Herausgabeanspruchs nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG (§ 7 Abs. 7 Satz 3 VermG)allein der Verfügungsberechtigte und nicht der Berechtigte das Restitutionsobjekt und erziele Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (vgl. BGH, Urteil vom 23.4.1999, V ZR 142/98, BGHZ 141, 232). Ganz abgesehen davon entscheide sich erst dann, wenn der Berechtigte den Anspruch geltend mache, inwieweit es tatsächlich zur Herausgabe von Mietentgelten komme. Denn der bisher Verfügungsberechtigte könne nach Maßgabe des § 7 Abs. 7 Satz 4 VermG mit eigenen Kosten aufrechnen.
Hinweis
Praxis-Hinweise 1. Gemeinsame Voraussetzung aller in § 163 AO zusammengefassten Tatbestände für eine abweichende Steuerfestsetzung ist eine sachliche Unbilligkeit. Sie liegt vor, wenn die Festsetzung zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber nach den Wertungen des Gesetzgebers zu einem von ihm offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt (BFH, Urteil vom 17.12.2003, XI R 63/00, BFH/NV 2004, 940). Daran fehlt es hinsichtlich der nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG herauszugebenden Nutzungsentgelte. Danach zahlt der Verfügungsberechtigte (entsprechend § 11 Abs. 2 EStG) Einnahmen zurück, die er in früheren Veranlagungszeiträumen erhalten und versteuert hat (ebenso OFD Chemnitz vom 8.7.1998, S 2211 – 13/5 – St 31, StEK, EStG § 21 Nr. 294).
Die auszukehrenden Mietentgelte sollen für die Nachteile entschädigen, die dem Restitutionsberechtigten (Berechtigten) durch die nicht zeitgerechte Rückübertragung seiner Immobilie entstehen (vgl. BFH, Urteil vom 11.1.2005, IX R 66/03, BFH-PR, 2005, 209). Die Herausgabepflicht ist durch die Vermietungstätigkeit des Verfügungsberechtigten unmittelbar veranlasst, da er nur die Entgelte herausgeben muss, die ihm aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis zustehen. Auf diese Weise wird zwar nicht die Verwirklichung des im Vermieten liegenden Steuertatbestands in der Person des Verfügungsberechtigten rückgängig gemacht; vielmehr hat dieser die betreffenden Entgelte an den Berechtigten herauszugeben, der im Verhältnis zu den Vertragsparteien des Nutzungsverhältnisses Dritter ist. Der Verfügungsberechtigte kann die ausgekehrten Entgelte jedoch im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung im Jahr der Zahlung Steuer mindernd geltend machen. Dementsprechend muss der die Leistung empfangende Berechtigte die Mietentgelte gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Entschädigung versteuern (BFH, Urteil vom 11.1.2005, IX R 66/03).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.1.2005, IX R 50/03