Dipl.-Finw. (FH) Holm Geiermann
Leitsatz
Erhebliche Bauaufwendungen für den Umbau einer Wohnung in zwei Arztpraxen mit denen eine Vergrößerung der Wohn- bzw. Nutzfläche einhergeht, führen sowohl unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung als auch unter dem Aspekt der wesentlichen Verbesserung zu Herstellungskosten im Sinne des § 255 Abs. 2 HGB und nicht zu Erhaltungsaufwand.
Die neuere Rechtsprechung des BFH (BFH, Urteil v. 12.9.2001, IX R 39/97, BStBl 2003 II S. 569) und das von der Finanzverwaltung übernommene (BMF, Schreiben v. 18.7.2003, BStBl 2003 I S. 386) Kriterium der Standardverbesserung findet nur Anwendung, wenn bauliche Veränderungen bei einem Wohnzwecken dienden Gebäude zu untersuchen sind, nicht bei Umbauten hin zu betrieblich genutzten Räumlichkeiten.
Sachverhalt
Die zusammenveranlagten Kläger waren Eigentümer eines gemischt genutzten Grundstücks, in dem auch ihre selbstgenutzte Wohnung belegen war. Diese baute sie in den Jahren 1995 und 1996 in zwei eigenständige Arztpraxen um. Die Geschossflächen vergrößerten sich hierbei, weil die Kläger ein bislang in ihrer Wohnung belegenes Schwimmbad abgerissen und auf dessen Fläche eine Geschossdecke neu eingezogen hatten bzw. Balkone und Terrassen der Wohnung zu Nutzflächen umgewandelt hatten. Überdies wurde die komplette Heizungsanlage ausgetauscht, Bodenbeläge teilweise erneuert, bestehende Wände versetzt, Fenster und Jalousien erneuert, umfangreiche Elektro-, Sanitär-, Gipser- und Malerarbeiten durchgeführt. Soweit der Bau im Übrigen nicht mehr umweltgerechte Materialien enthielt, wurden diese im Zuge der Baumaßnahme ebenfalls ausgetauscht. Die Gesamtaufwendungen in den Jahren 1995 und 1996 wurden von den Klägern teilweise als Erhaltungsaufwendungen, teils als Herstellungskosten geltend gemacht.
Das Finanzamt ordnete nach einer Betriebsprüfung die Gesamtaufwendungen des Streitjahrs dagegen den Herstellungskosten zu und erteilte einen berichtigten Einkommensteuerbescheid. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos.
Entscheidung
Nach der Auffassung des Gerichts sind die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen insgesamt als Herstellungskosten zu qualifizieren. Das Gericht verweist insoweit auf § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB. Eine Erweiterung liegt i.S. dieser Vorschrift vor, wenn die nutzbare Fläche vergrößert wird oder wenn nachträglich Bestandteile eingebaut werden, die bislang nicht vorhanden waren (BFH, Urteile v. 16.2.1993, IX R 85/88, BStBl 1993 II S. 544 und vom 9.5.1995, IX R 88/90, BStBl 1996 II S. 628). Zu den Kosten der Erweiterung, die als Herstellungskosten zu behandeln sind, gehören aber auch Kosten für Baumaßnahmen, die für sich gesehen zwar als Erhaltungsaufwand zu beurteilen wären, aber in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichem Zusammenhang stehen, so dass die Aufwendungen in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden (BMF, Schreiben v. 18.7.2003, BStBl I 2003 S. 386). Unter Berücksichtigung des Umstands, dass im Streitfall durch die Baumaßnahmen die Wohn- bzw. Nutzflächen der zuvor durch die Kläger eigengenutzten Wohnung erheblich vergrößert und ihre Substanz vermehrt wurde, sind die angefallenen Aufwendungen und die mit ihnen in sachlichem Zusammenhang stehenden Kosten schon deshalb als Herstellungskosten und nicht als Erhaltungsaufwendungen zu behandeln.
Unabhängig davon ist nach der Überzeugung des Gerichts im Streitfall durch die Umgestaltung der Wohnung in Arztpraxen auch eine wesentliche Verbesserung im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB eingetreten, die ebenfalls die Annahme von Herstellungskosten rechtfertigt. Den Klägern ist nämlich bereits durch diese dauerhaft veränderte Gebäudefunktion ein erweitertes Nutzungspotential des Objekts erwachsen. Die nach der neueren Rechtsprechung geforderte deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts, die sich in einer Hebung von einem einfachen auf einen mittleren oder einem mittleren auf einen gehobenen Standard manifestiert, ist nur ein Beispiel für die Frage, wann sich das Nutzungspotential des Gebäudes erheblich verbessert hat. Im Übrigen ist nach der Überzeugung des Gerichts eine solche Prüfung nur bei baulichen Veränderungen bei einem Wohnzwecken dienenden Gebäudes durchzuführen, nicht jedoch bei Umbauten hin zu betrieblich genutzten Räumlichkeiten.
Hinweis
Eine wesentliche Verbesserung im Sinne des § 255 Abs. 2 HGB setzt nach der Rechtsprechung des BFH und der Auffassung der Finanzveraltung eine deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts eines Wohngebäude in der Form einer Standardverbesserung voraus. Eine solche fordert das erkennende Gericht im Falle der Umwidmung Wohnzwecken dienender Gebäude zu betrieblich genutzten Räumlichkeiten allerdings nicht. In diesen Fällen soll vielmehr bereits wegen des durch diese Umwidmung eintretenden erweiterten Nutzungspotentials immer Herstellungsaufwand vorliegen. Hieraus folgt die zutreffende Annahme, dass eine dauerhafte bauliche Veränderung Gebäudefunktion (aus der Wohnung werden betrieblich oder beruflich genutzte Räume) unter dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Neuher...