vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung einer Außenprüfung zur Prüfung von Aktienleerverkäufen über den Dividendenstichtag beim Gläubiger der Kapitalerträge im Sinne von § 44b Abs. 6 EStG 2010
Leitsatz (redaktionell)
- Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass eine Prüfungsanordnung bzw. Prüfungsanfragen, die die beabsichtigte Aufklärung von Umständen bzgl. der Erstattung von Kapitalertragsteuer im Zusammenhang mit vom Finanzamt vermuteten, missbräuchlichen Aktienleerverkäufen um den Dividendenstichtag durch ein ertragssteuerbefreites Investmentvermögen betreffen, gegenüber einer Investmentaktiengesellschaft als Gläubiger der Kapitalerträge zulässig ist.
- Bei dem Verdacht einer möglicherweise modellhaft missbräuchlichen Erstattung von Kapitalertragsteuer durch die Depotbank nach § 44b Abs. 6 EStG i.V.m. § 11 Abs. 2 InvStG bei Leerverkäufen über den Dividendenstichtag kann das Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung bei der Investmentaktiengesellschaften Auskunftsersuchen an die Depotbank richten.
- Soll eine Außenprüfung bei einem von einer Investmentaktiengesellschaft aufgelegten Fond durchgeführt werden, ist Adressat der Prüfunganordnung die Investmentaktiengesellschaft.
- Der Begriff der „am Verfahren Beteiligten” i.S.d. § 50b EStG ist nicht mit dem Beteiligtenbegriff des §§ 78 AO identisch. Verfahrensbeteiligter i.S.d. § 50b EStG ist vielmehr jedes Rechtssubjekt, das unmittelbar oder auch nur mittelbar an einem Verfahren im Sinne der Norm beteiligt ist. Hierzu gehört sowohl die Depotbank als auch das Investmentvermögen als Gläubiger der Kapitalerträge.
Normenkette
InvStG § 11 Abs. 3; EStG § 44b Abs. 6, § 50b
Streitjahr(e)
2010
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Bestehen ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung und zweier Prüfungsanfragen, die die beabsichtigte Aufklärung von Umständen der Erstattung von Kapitalertragsteuer im Zusammenhang mit den vom Antragsgegner (dem Finanzamt, im Folgenden: ,FA') vermuteten, missbräuchlichen Leerverkäufen um den Dividendenstichtag durch ein ertragsteuerbefreites Investmentvermögen betreffen. Die Antragstellerin (im Folgenden: ,Astin') ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main seit dem 04.03.2010 eingetragene, i.S.v. § 97 Abs. 1 InvG selbstverwaltende Investmentaktiengesellschaft mit i.S.v. § 105 Abs. 1 InvG veränderlichem Kapital und mit Teilgesellschaftsvermögen in Form einer Umbrella-Konstruktion i.S.d. §§ 97 Abs. 5, 98 Abs. 1 Satz 2, 100 InvG, deren ausschließlicher satzungsmäßiger Geschäftsgegenstand die Anlage und Verwaltung eigener Mittel nach Maßgabe der §§ 2 Abs. 4 Nr. 1 bis 4, 7 und 9 bis 11 InvG i.V.m. § 99 Abs. 3 InvG i.V.m. §§ 46 bis 65, 83 bis 86, 90g bis 90k, 112, 113 und 91 bis 95 InvG mit dem Ziel ist, die Aktionäre am Gewinn aus der Verwaltung zu beteiligen. Auf das Protokoll der Gründungsversammlung und die Satzung vom 10.02.2010 wird verwiesen (Bl. 9 ff. und Bl. 36 ff. des Fallheftes Band 1). Am 18. / 23.03.2010 schloss die Astin einen Administrationsvertrag mit der Universal-Investment-Gesellschaft mbH (Bl. 132 ff. des Fallheftes Band 1). Ferner wurde am 22.03.2010 eine Verwaltungsvereinbarung mit der in London ansässigen M Ltd. geschlossen.
Am 29.03.2010 legte die Astin ein unter der Wertpapierkennnummer ISIN DE geführtes Teilgesellschaftsvermögen mit der Bezeichnung „C-Fond” (im Folgenden: der ,Fonds') auf, für das nach § 96 Abs. 1d Satz 1 InvG besondere Anlagebedingungen aufgestellt worden waren. Als Depotbank i.S.d. §§ 2 Abs. 7, 20 Abs. 1, 24 Abs. 1 InvG diente die C Bank (im Folgenden: die ,Depotbank'). Im Jahre 2010 tätigte die Astin für Rechnung des Fonds Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag, bei denen sie unter Einschaltung der Depotbank über die Börse London International Futures and Options Exchange (im Folgenden: ,LIFFE') Aktien von im Deutschen Aktienindex (DAX) abgebildeten deutschen Aktiengesellschaften kurz vor dem Dividendenstichtag mit Dividendenberechtigung („cum” Dividende) erwarb, die jedoch erst nach dem Dividendenstichtag geliefert wurden. Die Erfüllung des Kaufvertrages erfolgte durch die Buchung entsprechender Bestandsveränderungen zu Gunsten des bei der Clearstream Banking AG (im Folgenden: der ,Sammelverwahrer') für die Depotbank geführten Wertpapierkontos. Die Astin verkaufte die für Rechnung des Fonds gekauften
Aktien für Rechnung des Fonds an Dritte. Der Depotbank lag eine Bescheinigung über die Steuerbefreiung der Astin mit ihren Teilgesellschaftsvermögen nach § 11 Abs. 2 Satz 4 InvStG vor. Für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2010 lag der Depotbank darüber hinaus eine den Fonds betreffende und vom 28.03.2011 datierende sog. Berufsträgerbescheinigung im Sinne der zu Leerverkäufen um den Dividendenstichtag ergangenen BMF-Schreiben vom 05.05.2009, 28.12.2010 und 03.03.2011 vor (Kopien Bl. 108 ff. und Bl. 121 ff. des Fallheftes Band 1 und Bl. 89 ff. der Akten 4 V 6084/11). Die Depotbank zahlte der Astin jeweils die aus den Aktien resul...