rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung auf Rücknahme eines Insolvenzantrages wegen rückständiger Steuerforderungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners ist schlichtes Verwaltungshandeln, gegen das im Hauptsacheverfahren nur mit einer Leistungsklage auf Rücknahme des Insolvenzantrages Rechtsschutz erreicht werden kann.
  2. Der Anordnungsanspruch auf Rücknahme eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht, wenn ein Insolvenzgrund nicht vorliegt oder die Entscheidung über die Stellung des Insolvenzantrages trotz Bestehens eines Insolvenzgrundes ermessensfehlerhaft ist.
  3. Ein Insolvenzantrag als für den Schuldner einschneidenste und gefährlichste Maßnahme der Vollstreckung kommt erst dann in Betracht, wenn weniger belastende Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung ausgeschöpft sind oder keine Aussicht auf Erfolg versprechen.
  4. Das Finanzamt muss vor Stellung eines Insolvenzantrages zumindest geprüft haben, ob eine Einzelvollstreckung z.B. in Geschäftsanteile des Antragstellers Erfolg verspricht und den Antragsteller zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert haben.
  5. Geht das Finanzamt aufgrund falscher Auswertung eines Haftungsbescheides im Vollstreckungsverfahren von einem deutlich höheren vollziehbaren Betrag aus, liegt der Entscheidung ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde, der zu einer fehlerhaften Ermessensausübung führt.
  6. Ein Anordnungsgrund liegt durch die Eröffnung des beantragten Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers vor, da dessen wirtschaftliche Existenz unmittelbar bedroht ist.
 

Normenkette

InsO § 17; AO §§ 251, 256, 258, 284; FGO § 114 Abs. 1 S. 2

 

Streitjahr(e)

2013

 

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, den Antragsgegner (das Finanzamt … - das Finanzamt -) zur Rücknahme eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verpflichten. Dem liegt nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Antragsteller ist von Beruf … . Neben … bietet er über seine Beteiligung

an einer X Ltd & Co.KG mit Hauptsitz in L die Gründung von Private Limiteds (Ltd.) nach britischem Recht, die den Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach deutschem Recht vergleichbar sind, unter Beibehaltung größtmöglicher Anonymität an. Das angebotene Leistungsspektrum reicht von der Gründung derartiger Limiteds mit Sitz und Eintragung in die Register in England und Wales bis hin zur umfassenden Betreuung einschließlich eines sogenannten „Treuhandservice”. In diesen Fällen werden alle Gesellschaftsorgane der Ltd. durch einen Treuhänder gestellt, der auch die Position eines Directors innehat. Soweit gewünscht, werden für die Ltd. in Deutschland Niederlassungen gegründet. Gegenüber den Behörden tritt in diesem Fall der Director auf, während der Kunde nach außen nur als Niederlassungsleiter in Erscheinung tritt. Als Treuhänder tritt stets der Antragsteller auf. Die vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und dem jeweiligen Kunden beruhen auf gleich lautenden schriftlichen „Treuhandvereinbarungen” sowie „Handlungsvollmachten zur Führung einer deutschen Zweigniederlassung”.

Am 27.10.2008 wurde durch die X Ltd & Co.KG im Auftrag eines M die Firma A Ltd. gegründet und in das englische Handelsregister eingetragen. Als alleiniger Director wurde am 20.11.2008 der Antragsteller eingetragen. Herr M nahm den angebotenen Treuhandservice in Anspruch und schloss mit dem Antragsteller am 30.11.2008 die entsprechende Treuhandvereinbarung ab. Gleichzeitig erteilte der Antragsteller Herrn M die oben erwähnte Handlungsvollmacht. Am 15.06.2010 wurde die Gesellschaft im englischen Handelsregister gelöscht. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes … auf der Grundlage von Kontrollmitteilungen des Finanzamtes … vom 08.12.2010 hatte die Gesellschaft in Deutschland eine Niederlassung und war im Jahr 2009 gewerblich tätig. Im Rahmen der Fahndungsprüfung wurden die vorliegenden Unterlagen, insbesondere Rechnungen der Gesellschaft und Rechnungen Dritter, ausgewertet. Es wurde mangels Abgabe von Steuererklärungen im Wege der Schätzung Umsatzsteuer für 2009 in Höhe von … EUR sowie Körperschaftsteuer für 2009 in Höhe von … EUR ermittelt. Zuzüglich Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer, Zinsen zur Umsatzsteuer und Zinsen zur Körperschaftsteuer betrugen die Steuerforderungen … EUR. Da gegenüber der nicht mehr existenten Steuerschuldnerin keine Steuerbescheide mehr erlassen werden konnten, nahm das Finanzamt - neben M - den Antragsteller mit Haftungsbescheid vom 14.02.2012 als Geschäftsführer in Höhe der Gesamtforderung in Anspruch (Steuernummer …). Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren hiergegen erhobene Klage ist vor dem Senat unter dem Aktenzeichen 1 K 2322/12 anhängig.

Anträge auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides wurden

weder beim Finanzamt noch beim Hessischen Finanzgericht gestellt.

Am 16.03.2010 g...

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