rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer bei Rückführung gestohlener Waren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Wiedereinfuhr gestohlener und in ein Drittland verbrachter Waren und deren anschließende Übereignung an den geschädigten Unternehmer durch das Versicherungsunternehmen im Rahmen der Regulierung des Schadens ist von der Einfuhrumsatzsteuer befreit.
  2. Es handelt sich um eine (nicht steuerbare) Schadensersatzleistung des Sicherungsgebers an dem Versicherungsnehmer.
  3. Die Rückübertragung der gestohlenen Waren ist auch keine unentgeltliche Zuwendung von Gegenständen gemäß § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG die einer Lieferung gegen Entgelt gleichsteht.
 

Normenkette

EUStBV § 1 Abs. 2a, § 12; UStG § 5 Abs. 2 Nr. 3

 

Streitjahr(e)

2011

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob in Deutschland im freien Verkehr befindliche, einem Unternehmer gestohlene und in ein Drittland verbrachte Waren nach ihrer Wiedereinfuhr durch das Versicherungsunternehmen, das den Schaden reguliert und dem anschließend der geschädigte Unternehmer die Waren übereignet hat, von der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) befreit sind oder nicht.

In 2010 wurden Armbanduhren aus einer Filiale der Gesellschaft A in B bei einem Raubüberfall entwendet. Die Uhren waren bei einer britischen Versicherungsgesellschaft, für die die Klägerin als Abschlussvertreterin auftritt, versichert.

In 2010 erfolgte an einem ungarisch-serbischen Grenzübergang ein Aufgriff durch Beamte des serbischen Zollamts, bei dem die Uhren gefunden und beschlagnahmt wurden. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei diesen Uhren um die bei dem Raubüberfall in B entwendeten Uhren. Die Nämlichkeit der Uhren ist zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreits unstreitig.

Die Fa. A machte gegenüber der Klägerin ihren Anspruch aus dem Versicherungsverhältnis geltend, woraufhin die Klägerin an die Fa. A € zahlte. Ausweislich der Regulierungsabrechnung vom 07.04.2010 (Bl. 15 FG-Akte) zahlte die Klägerin dabei zwar einen Aufschlag von 5 % auf den Einkaufspreis der Uhren, aber keine Umsatzsteuer.

Der Beschuldigte C, in dessen Besitz sich die Uhren im Zeitpunkt des Aufgriffs befanden, sagte in dem gegen ihn geführten Strafverfahren aus, er habe die Uhren in D übernommen, von wo aus er sie nach Serbien bringen sollte. Dafür sollte er 2.500 € erhalten.

Die Klägerin bemühte sich danach bei den serbischen Behörden um Herausgabe der Uhren, was ihr erst nach einem Rechtsstreit über zwei Instanzen bei dem Handelsgericht Belgrad und dem Höheren Handelsgericht Belgrad gelang. Die Fa. A hatte am 28.02.2011 während der Verfahren der Klägerin in Belgrad eine Erklärung abgegeben, wonach die Klägerin ihre Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag erfüllt und die versicherte Summe ausbezahlt habe. Sie habe das Recht, die vollständige Rückgabe der versicherten Waren zu verlangen. Es werde bestätigt, dass sie (die Fa. A) das Eigentum an den Uhren auf die Klägerin übertragen habe „im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften, v.a. § 255 BGB.” Ein weiteres Dokument über die Eigentumsübertragung existiert offenbar nicht.

Die Uhren wurden schließlich mit Air Waybill Nr. der Fa. Lufthansa Cargo am in 2012 von Belgrad nach Frankfurt am Main befördert und von der Fa. E im Namen der Klägerin unter Geltendmachung der Rückwareneigenschaft der Uhren (Verfahrenscode 4010) zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet. Hinsichtlich der EUSt wurde zum einen angegeben, dass sie hinsichtlich aller angemeldeten Waren in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden könne, und zum anderen auf dem Vordruck 0328 erklärt, die Waren seien „vor ihrer Einfuhr nicht geliefert (nicht verkauft) worden”. Der sich aus dem Frachtbrief des Versenders (bei EUSt-Kosten von 140,54 €) ergebende und angemeldete Zollwert von 512.689 € wurde von dem abfertigenden Zollamt (ZA) Fracht des damaligen Hauptzollamts (HZA) Frankfurt am Main-Flughafen in Absprache mit der Spedition auf 270.042,46 €, dem seinerzeitigen Einkaufspreis der Fa. A, der den beigefügten Unterlagen entnommen werden konnte, herabgesetzt und demzufolge ein Steuerwert von 270.183 € angenommen.

Während es die Rückwareneigenschaft der Uhren anerkannte, lehnte das ZA Fracht, das sowohl eine Beschau als auch eine Dokumentenprüfung durchführte, die beantragte EUSt-Befreiung mit der Begründung ab, dass nicht derjenige, der die Lieferung bewirkt habe, „sondern ein anderer (Versicherer)” die Waren zurückerhalte. Es verwies dazu auf § 1 Abs. 2a i.V.m. § 12 Satz 1 Nr. 2 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung (EUStBV). Es setzte daher € EUSt fest (Bescheid vom 02.03.2012), die die Fa. E als Aufschubnehmerin für die Klägerin entrichtete.

Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, die Voraussetzungen eines Ausschlusses der EUSt-Freiheit nach § 12 Satz 1 Nr. 2 EUStBV seien nicht erfüllt, da eine steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 4 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht vorliege. Der allein als handelnder Unternehmer in Betracht kommende A habe kein...

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