rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkung der Bestandskraft des Kindergeldsbescheides gegen den Kindergeldberechtigten für den Antragsberechtigten nach § 67 S. 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
- Ein bestandskräftiger Ablehnungsbescheid der Familienkasse gegenüber dem Kindergeldberechtigten wirkt auch gegenüber dem Erstattungsberechtigten.
- Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind ebenso wie Sozialhilfeleistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt gegenüber dem Anspruch auf Kindergeld eine gleichartige und damit nachrangige Leistung soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient.
- Ist das Festsetzungsverfahren für den (materiellen) Kindergeldberechtigten bestandskräftig abgeschlossen, muss sich ein nach § 67 S. 2 EStG Antragsberechtigte die Bestandskraft des dieses Festsetzungsverfahren abschließenden Bescheids entgegenhalten lassen.
- § 67 S. 2 EStG gewährt kein Recht, ein weiteres Festsetzungsverfahren über den fremden Steuervergütungsanspruch einzuleiten.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 2, § 67 S. 2; SGB X § 104
Streitjahr(e)
2008, 2009
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 104 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X).
Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der klagende Landkreis ist Sozialhilfeträger. In dieser Funktion ist er unter anderem für die Hilfe zum Lebensunterhalt bei Asylbewerbern zuständig. Der Kläger gewährte den Eheleuten … und deren Kindern …, … und … (aus der Türkei stammende Asylbewerber) seit August 2005 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Seit ihrer Zuweisung in den Bereich des Klägers bis einschließlich Juni 2009 lebte die Familie in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber und anschließend in einer Privatwohnung.
Mit Schreiben vom 17.12.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten (die Familienkasse) die Festsetzung von Kindergeld für die vorgenannten Kinder. Gleichzeitig wurde unter Hinweis auf § 104 SGB X die Erstattung des Kindergelds an den Landkreis beantragt.
Nach Ermittlung des Sachverhalts lehnte die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 13.01.2009 gegenüber dem Kindergeldberechtigten mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG seien vorliegend nicht erfüllt. Mit Schreiben vom selben Tag erhielt der Kläger eine Kopie des Ablehnungsbescheides. Mit Schreiben vom 07.05.2009 machte der Kläger gegenüber der Familienkasse erneut einen Erstattungsanspruch für die vorgenannten Kinder geltend. Dieser wurde mit Schreiben der Familienkasse vom 15.05.2009 unter Hinweis auf den Ablehnungsbescheid vom 13.01.2009 zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 25.05.2009 übersandte der Kläger der Familienkasse die Lohnabrechnung des Kindergeldberechtigten für April 2009 als Nachweis für dessen Erwerbstätigkeit und bat um Überprüfung der ablehnenden Entscheidung. Nach weiteren Ermittlungen beim Kindergeldberechtigten setzte die Familienkasse für die Kinder ab April 2009 Kindergeld in gesetzlicher Höhe fest.
Mit Schriftsatz vom 03.12.2009 hat der Kläger vor dem Hessischen Finanzgericht Klage erhoben, die zunächst auf Erstattung des Kindergelds für die Zeit von Februar 2006 bis Dezember 2008 gerichtet war. Mit Schriftsatz vom 11.06.2010 ist die Klage modifiziert worden. Danach wird Erstattung des Kindergelds für die Zeit von Januar 2008 bis März 2009 begehrt.
Im Hinblick auf ein beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen III R 87/08 anhängiges Verfahren, das die Rechtsfrage zum Gegenstand hatte, ob aus der Türkei stammende Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, vom Anwendungsbereich des Vorläufigen Europäischen Abkommens über Soziale Sicherheit unter Ausschluss der Systeme für den Fall des Alters, der Invalidität und zugunsten der Hinterbliebenen vom 11.12.1953 (Vorläufiges Europäisches Abkommen, BGBl. II 1956, 507) erfasst werden, hat das Gericht diesen Rechtsstreit zum Ruhen gebracht. Nach Beendigung des Revisionsverfahrens hat das Hessische Finanzgericht diesen Rechtsstreit - unter neuem Aktenzeichen – wieder aufgenommen. Nachdem die Familienkasse dem Erstattungsanspruch betreffend die Monate Februar und März 2009 abgeholfen hatte und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren abgetrennt worden. Entsprechendes gilt für die Zeit von Februar 2006 bis Dezember 2007, für die die Klage zurückgenommen worden ist.
Der Kläger ist der Auffassung, es sei unerheblich, ob der Kindergeldberechtigte seinen Kindergeldanspruch durchgesetzt habe. Das Erstattungsverfahren stelle ein eigenständiges Verfahren dar.
Der Kläger beantragt,
die Familienkasse zu verurteilen, die in der Zeit von Januar 2008 bis Januar 2009 aufgewendeten Kosten nach dem AsylbLG für die Kinder …, … und … in Höhe des gesetzlichen Kindergelds an den Kläger zu erstatten.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Kläger müsse die bestandskräftige...