Leitsatz
Gelder der Europäischen Union, die an einen Polizeibeamten mit Wohnsitz im Inland für dessen Tätigkeit im Rahmen von Frontex-Einsätzen in Griechenland gezahlt werden, unterliegen der inländischen Steuerpflicht.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Nrn. 13 und 64, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 8 AO, Art. XI Abs. 1 bis 3, Art. XVII Abs. 2 Nr. 1 DBA-Griechenland, Art. 15 Abs. 1 und 2 DBA-Polen, Art. 15, Art. 17, Art. 18 VO (EG) 2007/2004, Art. 20, Art. 21, Art. 56, Art. 58, Art. 59 VO (EU) 2016/1624
Sachverhalt
Der Kläger, der in den Streitjahren (2015 bis 2017) seinen Wohnsitz im Inland hatte, war als Polizeibeamter beim Bundesland A beschäftigt und in diesem Zeitraum jährlich für 4 bis 6 Wochen an das Bundespolizeipräsidium (BPOLP) abgeordnet. Das BPOLP wies den Kläger seinerseits der griechischen Küstenwache zu. Er sollte diese im Rahmen von Frontex als "Fingerprint Expert zgl. Escort Officer" auf der Insel C unterstützen.
Das Bundesland A zahlte die laufenden Dienstbezüge des Klägers während der Auslandseinsätze weiter. Außerdem hatte der Kläger Anspruch auf Auslandstrennungsgeld nach § 12 Abs. 7 der AuslandstrennungsgeldVO. Daneben erhielt er für seine Auslandseinsätze durch Frontex EU-Gelder. Diese wurden dem BPOLP zur Weiterleitung an den Kläger zur Verfügung gestellt und durch dieses an den Kläger ausgezahlt.
Das BPOLP meldete dem FA im Wege der Verwaltungshilfe die weitergeleiteten EU-Gelder und rechnete diese auf die Reisekostenvergütungen des Klägers nach nationalem Recht an.
Bei den ESt-Festsetzungen für die Streitjahre behandelte das FA die EU-Gelder insoweit als steuerpflichtig, als sie die vom BPOLP angesetzten Reisekosten nach nationalem Recht überstiegen. Für das Streitjahr 2017 erkannte das FA außerdem Werbungskosten im Zusammenhang mit der Auslandstätigkeit des Klägers i.H.v. 451 EUR an.
Die Einsprüche des Klägers gegen die ESt-Bescheide für die Streitjahre 2015 und 2016 hatten insoweit Erfolg, als das FA auf die EU-Gelder fiktive steuerfreie Reisekostenerstattungen nach § 3 Nr. 13 EStG und steuerfreie Auslandsdienstbezüge gemäß § 3 Nr. 64 EStG steuermindernd anrechnete. Soweit keine Reisekostenerstattungen durch das BPOLP errechnet worden waren, aber ein Werbungskostenabzug der vom Kläger getragenen Aufwendungen für die Auslandseinsätze möglich war, berücksichtigte das FA diese Werbungskosten ebenfalls steuermindernd. Für das Streitjahr 2017 ergab sich insoweit keine Minderung der ESt, sodass das FA diesen Einspruch als unbegründet zurückwies.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab (Thüringer FG, Urteil vom 14.10.2020, 3 K 483/19, Haufe-Index 15017416, EFG 2021, 436).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen. Das FG habe zutreffend entschieden, dass die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossenen EU-Gelder nur in dem vom FA berücksichtigten Umfang steuerfrei seien.
Hinweis
1. Der Kläger, der seinen Wohnsitz (§ 8 AO) im Inland hat, ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Bei den von ihm in den Streitjahren bezogenen EU-Geldern im Zusammenhang mit seinen Einsätzen in Griechenland auf der Insel C handelt es sich (unstreitig) um Arbeitslohn (Drittlohn) gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
2. Die EU-Gelder sind mangels Zahlung aus (inländischen) "öffentlichen Kassen" (ebenfalls unstreitig) nicht gemäß § 3 Nr. 64 Satz 1 EStG oder § 3 Nr. 13 EStG steuerfrei.
3. Die Steuerfreiheit der EU-Gelder nach § 3 Nr. 64 Satz 2 EStG scheidet ebenfalls aus. Denn der Kläger stand nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Recht, das grundsätzlich von einem zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff ausgeht, nicht in einem Dienstverhältnis zu Frontex, sondern zum Bundesland A. Außerdem hat § 3 Nr. 64 Satz 2 EStG zur weiteren Voraussetzung, dass der Arbeitslohn nach den Grundsätzen des BBesG ermittelt wird, was bei den hier streitigen EU-Geldern ebenfalls nicht der Fall ist.
4. Die dem Kläger in den Streitjahren ausgezahlten EU-Gelder sind auch nicht gemäß Art. 12 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union steuerbefreit. Nach dieser Vorschrift sind die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union von innerstaatlichen Steuern auf die von der Union gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit. Der Kläger, der als Beamter des Bundeslands A für die Einsätze in Griechenland an das BPOLP abgeordnet war und von diesem sodann der griechischen Küstenwache im Rahmen von Frontex zugewiesen wurde, war aber weder Beamter noch sonstiger Bediensteter der EU, was für die Steuerbefreiung Voraussetzung ist. Die Einstufung als Beamter oder Bediensteter der EU kann nur durch einen formellen Rechtsakt des betreffenden Gemeinschaftsorgans erfolgen (EuGH, Urteil vom 8.9.2005, C-288/04, AB, Haufe-Index 1622043, Rz. 31, m.w.N.). Ein solcher Rechtsakt liegt für den Kläger nicht vor.
5. Aus diesem Grund gilt die Steuerbefreiung nach Art. 12 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union für ...