Zusammenfassung

In den vergangenen Jahren haben innerbetriebliche Kontrollsysteme (IKS) nicht zuletzt aufgrund der Rechtsprechung des BGH und der einschlägigen Verwaltungsanweisungen zur AO auch im Steuerrecht eine erhebliche Bedeutung erlangt. Dies gilt besonders für die Umsatzsteuer, die vielfach repetitive Geschäftsvorfälle nachvollzieht, sodass bereits vermeintlich kleine Fehler z. B. in der Beurteilung und in der Folge systemischen Einstellung schnell erhebliche Volumina erreichen können. Eine entlastende bzw. für den Steuerpflichtigen positive Wirkung können IKS einerseits im steuerstraf- und bußgeldrechtlichen Verfahren entfalten und andererseits im Bereich der vorgelagerten Fehlervermeidung. Letztere ist von erheblicher Bedeutung, da auch Verstöße, die unterhalb der Schwelle des Straf- und Bußgeldrechts liegen, zu erheblichen Belastungen führen können. Insofern ist ein IKS insbesondere für den Bereich der Umsatzsteuer – die sich aufgrund zunehmender Komplexität und im Lichte der Missbrauchsrechtsprechung des EuGH in den letzten Jahren immer mehr zur Hochrisikosteuer entwickelt hat – von Relevanz.

1 Problematik

Im Zusammenhang mit IKS können bereits die verwendeten Begrifflichkeiten zu Unsicherheiten führen. Teilweise wird von einem Tax Compliance Management System (TCMS) gesprochen, welches Teil eines allgemeinen Compliance Management Systems (CMS) sein kann oder als eigenständiges System zur rechtzeitigen und vollständigen Erfüllung steuerlicher Pflichten bestehen kann. Die Begriffe IKS und TCMS werden – jedenfalls nach dem Ansatz des IDW – gleichgesetzt.[1] Das Umsatzsteuerrecht kennt mit dem "innerbetrieblichen Kontrollverfahren" bereits einen ähnlichen Begriff. Dieser findet sich jedoch ausschließlich im Zusammenhang mit der Überprüfung von Rechnungen. So wird nach § 14 Abs. 1 Satz 2 – 6 UStG vorausgesetzt, dass die Authentizität, Integrität und Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden, was durch ein innerbetriebliches Kontrollverfahren erreicht werden kann, das einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schafft. Hierunter sind nach der Gesetzesbegründung Verfahren zu verstehen, die der Unternehmer zum Abgleich der Rechnung mit seinen Zahlungsverpflichtungen einsetzt.[2]

Der Unternehmer wird dabei im eigenem Interesse bereits regelmäßig insbesondere überprüfen, ob die Rechnung in der Substanz korrekt ist. Um zu gewährleisten, dass nur solche Rechnungen beglichen werden, zu deren Bezahlung er auch verpflichtet ist, wird der Unternehmer primär sicherstellen, dass die in Rechnung gestellte Leistung tatsächlich von dem Rechnungsaussteller in dargestellter Art und Menge erbracht wurde – der Aussteller also tatsächlich den Zahlungsanspruch hat – und die vom Leistenden angegebene Bankverbindung korrekt ist.

Obwohl die Rechnungskontrolle aus Umsatzsteuersicht für viele Unternehmen wahrscheinlich das Herzstück eines IKS ist, geht dieses weit über die bloße Rechnungskontrolle hinaus und kann daher auch nicht auf das innerbetriebliche Kontrollverfahren, welches einen solchen Prüfpfad herstellt, begrenzt werden.

Vor der Einrichtung eines IKS ist zunächst zu klären, für wen dieses eingerichtet werden soll und in welchem Umfang es sinnvoll ist bzw. welchen Umfang es haben muss, um entsprechenden Risiken im konkreten Fall entgegenzuwirken. Für den Unternehmer können sich erhebliche Steuernachzahlungen sowie daraus resultierende Zinsen oder weitere Nebenleistungen ergeben. Auch wenn die Umsatzsteuer grds. neutral sein sollte, kann er sich einer endgültigen Steuerbelastung – auch durch Ausschluss vom Vorsteuerabzug oder Steuerbefreiungen – und ggf. darüber hinaus sogar straf- und bußgeldrechtlichen Folgen ausgesetzt sehen.

Eine Studie aus 2020 verdeutlicht die Komplexität der Thematik. Danach waren 6 von 10 befragten Unternehmen gerade dabei ein TCMS einzuführen. 62 % der Unternehmen, die bereits ein TCMS eingeführt haben, schätzten den Reifegrad ihres TCMS nur mit höchstens 50 % ein.[3] Da es keine konkreten Vorgaben für die Ausgestaltung eines IKS aus der Finanzverwaltung gibt, kann bereits die Konzeptionierung eines IKS Unternehmen vor Herausforderungen stellen.

Die Vermeidung von steuerstraf- oder bußgeldrechtlichen Folgen dürfte im Interesse jeden Unternehmers liegen, gleiches gilt für die Vermeidung von steuerlichen Fehlern, die zu vermeidbaren Belastungen und zusätzlichem administrativen Aufwand führen können.

Demgegenüber steht der notwendige Aufwand zur Einrichtung, Dokumentation und Aktualisierung des IKS. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass diese Faktoren im Wesentlichen von Art, Größe und Zuschnitt bzw. Geschäftstätigkeit des Unternehmens abhängen.[4]

Die Umsatzsteuerpraxis in Unternehmen ist häufig von Massenvorgängen geprägt. Darüber hinaus sind aber auch mögliche einzelne Sondervorfälle, wie der Verkauf von Anlagevermögen, Anteilsverkäufe, die Übertragung von Unternehmensimmobilien oder gar ganzer Unternehmensteilbereiche, mit erheblichem wirtschaftlichem Gewicht – und Fehlerpotenzial – zu beachten. Fehler w...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge