Häufig steht die Digitalisierung im Fokus der Diskussion über die neue (Arbeits-)Welt. Aber eigentlich ist die Automatisierung und informative Vernetzung sowie die auf ihrer Grundlage aufblühende Wissensarbeit das auf Arbeitswelt und Gesellschaft wirkende Phänomen.
Der Mensch hat immer schon nach Möglichkeiten gesucht, sein Leben zu erleichtern. Werkzeuge, Maschinen, Computer … Er hat Innovationen kreiert, die seine Körperkraft vervielfältigt und dann ersetzt haben. Damit hat der Mensch zum einen seine Produktivität erhöht und konnte zum anderen Tätigkeiten verrichten, die ihm ohne Werkzeuge und Maschinen gar nicht möglich waren. Denken.
Es ist interessant, die Ursprünge der Automatisierung zu verfolgen und daraus zu erkennen, dass die Automatisierung eigentlich ein Jahrtausende währender Gesamtprozess ist. Man kann diesen in verschiedene Phasen unterteilen:
- Die Entwicklung und Nutzung von Zahlen und ersten Algorithmen reicht bis in das 8. Jahrtausend vor Christus zurück.
- Die Entwicklung der Schrift ermöglichte die Dokumentation und Weitergabe von Erkenntnissen, die Entwicklung von Herrschafts- und Kaufverträgen, die Herausbildung des Geldes als Instrument zur Besiegelung von Kaufverträgen, die Entstehung des Kredits als eine Form der Geldschöpfung.
- Das Entstehen von Wissenschaften (z. B. im griechisch-römischen Raum) und die Entwicklung zirkulationsfähiger Münzen sowie deren Verknüpfung mit der Besoldung von Soldaten und der Einziehung von Steuern.
- Die Wissenschaften und das Geldwesen, insbesondere des Kredits, wurden in der Renaissance wiederentdeckt und weiterentwickelt.
Diese Umbrüche mündeten schließlich in jene gravierenden Veränderungen der Produktionsweise, die wir heute die industrielle Revolution nennen. Sie begannen in ihrer ersten Stufe mit der Zentralisation und Spezialisierung handwerklicher Tätigkeiten in Manufakturen, mit denen die Voraussetzungen geschaffen wurden, menschliche Routinetätigkeiten auf Maschinen zu übertragen. Den entscheidenden Leistungssprung löste die Nutzung der Dampfmaschine ab dem späten 18. Jahrhundert aus. Sie ermöglichte die Befreiung des Antriebes der Maschinen von den physischen Begrenzungen unzuverlässiger Naturkräfte, wie Wind und Wasser sowie tierischer bzw. menschlicher Muskelkraft. Diese Revolution hat die Welt grundlegend verändert. Sie begann als industrielle und setzte sich fort als gesellschaftliche und politische Revolution.
Die zweite und dritte industrielle Revolution genannten Innovationsschübe sind eigentlich weitere Ausläufer der ersten. Zunächst erfolgte in der zweiten Stufe eine Innovation der industriellen Organisation in Form des Übergangs auf die nach seinem Pionier Taylor als Taylorismus bezeichnete neue Organisationsform der Massenproduktion. Parallel dazu erfolgte mit der Elektrifizierung und der Einführung des Dieselmotors die Reduktion der Eintrittsschwelle und eine weitere Dezentralisierung der Krafterzeugung. Die zweite industrielle Revolution war auch die Zeit der Erfinder, die nun aus allen Schichten der Gesellschaft kommen konnten. Sie ermöglichten, fast alle gröberen körperlichen Tätigkeiten der Menschen auf Maschinen zu übertragen und sie zu größeren Anlagen zu verknüpfen.
Die industrielle Revolution hat das Leben der Menschen mit einer Geschwindigkeit verändert, die ihnen vorher nicht bekannt war. Das führte zu einem allgemeinen Anstieg des Wohlstands, aber auch zu kritischen sozialen Verwerfungen.
Der fünfte große Denkprozess entstand – auch als Folge der beiden Weltkriege – in der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit dem Durchbruch der modernen Physik in Kombination mit der Entwicklung der Systemtheorie und der Kybernetik. Sie eröffneten die Möglichkeiten für sich selbst steuernde, informativ vernetzte Maschinen, die erstmalig dem Wortsinn des Begriffs "Automaten" entsprechen.
Welche Konsequenzen dieser radikale Umbruch nach sich ziehen wird, lässt sich noch nicht absehen. Aber dass er – wie schon die industrielle Revolution – neben den vielen Wohlstandsverbesserungen erneut zu enormen sozialen Verwerfungen führt, ist nicht zu übersehen. Der wesentliche Unterschied: In der industriellen Revolution wurden die Menschen zu "Bedienungselementen" von Maschinen und blieben eingebunden in die technischen Prozesse. Mit der Automatisierung im eigentlichen Sinne werden die menschlichen Tätigkeiten von den technischen Prozessen entkoppelt. Damit rücken Potenziale in den Fokus der Unternehmenssteuerung, die nicht wiederholbar sind bzw. nicht auf dem reinen Erkennen und Deuten wiederkehrender Muster beruhen: Kreativität, Intersubjektivität, Emotionalität. Deshalb werden die darauf aufbauenden sozialen Beziehungen heute zu unmittelbar erfolgskritischen Faktoren für moderne Unternehmen. Soziale Verwerfungen können sie sich nicht mehr leisten. Diese aufzufangen und in beherrschbare Bahnen zu lenken muss daher Teil einer modernen Unternehmenssteuerung sein.