Die Regelung über die Besteuerung von Funktionsverlagerung erfolgte nicht im Bereich der steuerbilanziellen Vorschriften des § 6 ff. EStG, sondern ausschließlich in § 1 Abs. 3 AStG bzw. ab 2022 in § 1 Abs. 3b AStG als steuerliche Korrekturvorschrift.
Hieraus ergeben sich folgende Problemfelder:
2.1 Beschränkung auf sog. Outbound-Fälle?
Obwohl § 1 AStG nur gewinnerhöhend für Steuerinländer wirkt, gelten der Fremdvergleichsgrundsatz und damit auch die Regeln zur Bewertung einer Funktionsverlagerung für Outboundfälle wie Inboundfälle gleichermaßen. Im Inboundfall kann es damit zur Aktivierung immaterieller Wirtschaftsgüter und somit zu Abschreibungspotenzial kommen.
Der ermittelte Kaufpreis soll nach Auffassung der Finanzverwaltung hierbei auf die materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter aufgeteilt und ein evtl. verbleibender Differenzwert als Geschäftswert aktiviert und abgeschrieben werden. Hierdurch soll auch die internationale Akzeptanz und "Europatauglichkeit" erreicht werden (im Detail Tz. 3). In Streitfällen lässt sich diese Auffassung allerdings angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts (§ 1 AStG wirkt nur gewinnerhöhend) nicht gerichtlich einfordern. Für diese Fälle verbleibt es aber an der Möglichkeit ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 OECD-MA zu beantragen, um in Deutschland eine Gegenberichtigung einer ausländischen Verrechnungspreiskorrektur (Funktionsverlagerung) nach Art. 9 Abs. 2 OECD-MA zu erreichen.
2.2 Verhältnis zu anderen Ansatz- oder Korrekturvorschriften
Bei grenzüberschreitenden Einkünftekorrekturen (aufgrund von Verlagerungen) ist es notwendig, vorab die einzelnen Korrekturvorschriften gegeneinander abzugrenzen. Die Vorschrift des § 1 AStG steht zu folgenden Vorschriften in einem Konkurrenzverhältnis.
Korrekturnormen dem Grunde nach:
Hinsichtlich der Korrektur der Höhe nach ist der Vorgabe des Fremdpreises nach § 1 Abs. 1 AStG noch gegenüber zu stellen:
- der Teilwert;
- der gemeine Wert nach § 11 BewG.
In der Vergangenheit wurde nach den Verwaltungsgrundsätzen 1983 davon ausgegangen, dass § 1 AStG nachrangig zu prüfen ist.
Diese "Lückenfüllerfunktion" des § 1 AStG muss allerdings ab dem VZ 2008 neu hinterfragt werden. Durch die Neuregelung im § 1 Abs. 1 Satz. 3 AStG im UntStRefG 2008 wird bestimmt, dass § 1 AStG ergänzend zur Anwendung kommt, wenn dieser weiter gehende Rechtsfolgen hat als andere Korrekturvorschriften.
Die gesetzliche Neuregelung des § 1 Abs. 1 AStG durch das UnternehmensteuerreformG 2008 ist auf den ersten Blick widersprüchlich. § 1 Abs. 1 AStG 2008 stellt in Satz 1 – entsprechend der bisherigen Verwaltungsauffassung – klar, dass eine Einkommens-Korrektur nach § 1 AStG gegenüber anderen steuerlichen Korrekturvorschriften nachrangig ist, bzw. dass anderen Korrekturvorschriften, wie z. B. § 8 Abs. 3 KStG für vGA oder Einlage, der Vorrang einzuräumen ist. Festgelegt wird auch, dass eine Einkommenskorrektur ausschließlich in der Richtung einer Einkommenserhöhung möglich ist.
Hingegen wird durch § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG abweichend vom bisherigen Verhältnis der Normen zueinander geregelt, dass die Einkommenskorrektur nach § 1 AStG weiter gehende Korrekturen ermöglicht als die Instrumente der vGA, der verdeckten Einlage oder der Entnahme. § 1 AStG ist bei Betrachtung der Rechtsfolge damit nicht mehr als eine nur nachrangige Einkünftekorrekturvorschrift, sondern als ergänzende Einkünftekorrekturvorschrift zu qualifizieren, was im Ergebnis zur Idealkonkurrenz führt.
Damit wird auf der Rechtsfolgenebene die Vorrangigkeit der anderen Vorschriften faktisch aufgehoben. So wird insbesondere sichergestellt, dass z. B. bei der unentgeltlichen Übertragung von WG des Umlaufvermögens auf ein verbundenes ausländisches Unternehmen nicht nur eine Korrektur mit dem Teilwert (hier regelmäßig den Wiederbeschaffungskosten) erfolgt, sondern die ergänzende Korrektur nach § 1 AStG auch den Gewinnaufschlag erfasst. Hintergrund dieser Regelung ist aber auch die Frage, welcher Einkunftskorrekturmaßstab bei inländischen Personengesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern zur Anwendung kommt. Diese Frage hat der BFH bisher nicht abschließend entschieden und auf hierbei bestehende Probleme aufmerksam gemacht.
Ausschlaggebend hierfür ist, dass bei einem vergleichbaren Inlandsfall die Regelungen zur Entnahme anzuwen...