4.1 Allgemeines
Mit § 6 AStG soll sichergestellt werden, dass stille Reserven, die ein Steuerinländer in einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ansammelt, dem deutschen Fiskus nicht dadurch verloren gehen, dass der Gesellschafter seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt.
Hintergrund für diese Regelung ist, dass die Bundesrepublik Deutschland entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA – entgegen der Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2e EStG – auf die Besteuerung von Gewinnen nach § 17 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen verzichtet. Lediglich für Grundstücksgesellschaften (i. d. R. mit über 50 % des Aktivvermögens an Grundstücken) wird in neueren deutschen DBA (z. B. DBA Spanien) das Besteuerungsrecht nach dem Belegenheitsprinzip reklamiert. Mit einem Wohnsitzwechsel in einen Niedrigsteuerstaat vor einer Veräußerung der Beteiligung könnte damit die inländische Besteuerung verhindert werden. § 6 AStG (sog. Wegzugsbesteuerung) soll dies als spezifische Entstrickungsvorschrift verhindern, indem der Wertzuwachs der Beteiligung bei Wegzug ins Ausland in Deutschland zu versteuern ist.
§ 6 AStG wurde in der Vergangenheit häufig geändert. Durch das SEStEG wurde insbesondere den EU-rechtlichen Bedenken gegen die Regelung Rechnung getragen.
4.2 Besteuerung des Wertzuwachses
4.2.1 Grundfall des Wegzugs
Nach § 6 AStG müssen unbeschränkt Steuerpflichtige mit ihrem Übertritt in die beschränkte Steuerpflicht ("Auswanderung") oder mit der Erfüllung gewisser anderer Tatbestände (§ 6 Abs. 1 Nr. 1-4 AStG 2006) den Vermögenszuwachs ihrer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligungen an inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaften auch ohne Veräußerung nach den Grundsätzen des § 17 EStG versteuern. Eine Besteuerung nach anderen Bestimmungen (z. B. § 21 UmwStG 1995, § 22 UmwStG 2006, § 17 EStG 2006) geht vor.
4.2.2 Änderung der Hauptansässigkeit als Auslöser der Steuerentstrickung
Die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG ist grds. nur bei Verlegung der Hauptansässigkeit ins Ausland anzuwenden . Die Begründung eines Zweitwohnsitzes im Ausland bei Weiterbestehen der unbeschränkten Steuerpflicht löst die Vermögenszuwachsbesteuerung nur aus, wenn auf Grund dessen in dem anderen Staat die abkommensrechtliche Ansässigkeit begründet wird. Üblicherweise ist diese dann gegeben, wenn eine Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ausländischen Staat hat.
4.2.3 Schenkung an einen Steuerausländer
Die Besteuerung des Vermögenszuwachses wird auch durch Schenkung von Anteilen an einen nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Steuerausländer ausgelöst. Dadurch sollen Gestaltungen wie im folgenden Beispiel verhindert werden:
Schenkung an einen Steuerausländer
Der Vater V beabsichtigt seine X-Beteiligung zu verkaufen. Zur Verminderung der ESt-Belastung wird überlegt, die Beteiligung vorher auf den Sohn S zu überschreiben, der zuvor sein mehrjähriges Studium in einem ausländischen Staat aufnimmt und dort seinen Hauptwohnsitz begründet.
Lösung:
Die Gestaltung führt nur zu einer vorzeitigen Besteuerung (ohne Zufluss von Liquidität), da der Tatbestand des § 6 AStG erfüllt wird.
4.2.4 Grenzüberschreitende teilentgeltliche Übertragung
Der BFH hat sich mitlerweile mit einer teilentgeltlichen Übertragung beschäftigen müssen.
Ein Vater übertrug auf seinen in den USA ansässigen Sohn einen Anteil an einer deutschen GmbH. Das Vermögen der GmbH bestand im Zeitpunkt der Übertragung überwiegend aus im Inland belegenem Grundvermögen. In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang übertrug der Vater weitere Anteile an der GmbH auf seine Ehefrau.
Finanzamt und FG behandelten die Übertragung der Anteile als teilentgeltliche Erwerbe und setzten für den Vater einen steuerpflichtigen Übertragungsgewinn für die Übertragungen auf den Sohn und seine Ehefrau an. Für den unentgeltlichen Teil der Übertragung auf den Sohn waren sie der Auffassung, dass die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG a. F. (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AStG n. F.) erfüllt seien und für den Vater ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstanden sei.
Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an und bestätigt, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG a. F. (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AStG n. F.) im Streitfall erfüllt und nicht einschränkend auszulegen ist. Der Leitsatz lautet: Die Vorschrift zur Wegzugsbesteuerung bei unentgeltlichen Anteilsübertragungen auf im Ausland ansässige Steuerpflichtige ist nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Unionsrecht oder das DBA USA vor.
Das Urteil hat insoweit Bedeutung, als das Grundvermögen selbst durch Art. 13 des DBA USA in Deutschland steuerverhaftet war. Nach Auffassung des ...