Ertragsteuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen ab 1.1.2022
Mit steuerlicher Rückwirkung hat der Gesetzgeber eine neue Steuerbefreiung in § 3 Nr. 72 EStG geschaffen. Diese Norm regelt, dass ab 2022 Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Fotovoltaikanlage auf, an oder in
- Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von zusammen bis zu 30 kW (peak) und
- sonstigen Gebäuden mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit,
- jedoch insgesamt höchstens 100 kW (peak) pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft
von der Einkommensteuer befreit werden. Mit der Neuregelung entfällt zukünftig auch eine Gewinnermittlung für entsprechende kleinere Fotovoltaikanlagen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Strom ganz oder teilweise ins Netz eingespeist bzw. selbst verbraucht wird. Auch betrifft dies nicht nur neue Anlagen, sondern ab dem VZ 2022 auch alle bereits bestehenden Fotovoltaikanlagen.
Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob zukünftig für PV-Anlagen, die die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG erfüllen, ein Investitionsabzugsbetrag noch gebildet werden kann und falls dies nicht der Fall ist: Was in den Fällen gilt, in denen für vorhandene PV-Anlagen in 2020 oder 2021 ein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen wurde und eine Investition noch aussteht?
Auffassung der Finanzverwaltung
Der Finanzverwaltung vertritt hierzu die Auffassung, dass ein IAB eine betriebliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht (Totalgewinn) voraussetzt. Werden ab 2022 im Betrieb nur noch gemäß § 3 Nr. 72 EStG steuerfreie Erträge aus der Stromerzeugung mit PV-Anlagen erzielt, sei wie folgt zu differenzieren:
- In nach dem 31.12.2021 endenden Wirtschaftsjahren ist die Inanspruchnahme eines IAB nicht mehr möglich, da ein Gewinn für den Betrieb nicht mehr zu ermitteln ist.
- IAB, die in einem vor dem 1.1.2022 endenden Wirtschaftsjahr in Anspruch genommen, jedoch bis zum 31.12.2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, sind rückgängig zu machen, sofern die geplante PV-Anlage zu steuerfreien Erträgen führt.
- Nur sofern die PV-Anlage zu einem Betrieb gehört, dessen Zweck nicht nur die Stromerzeugung aus PV-Anlagen umfasst, gelten die allgemeinen Regelungen zu den IAB weiterhin (vgl. hierzu BMF-Schreiben v. 15.6.2022, BStBl I S. 945, unter Rn. 24 – 26).
BFH hat Zweifel an Rückgängigmachung
Der BFH hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der o.g. Auffassung der Finanzverwaltung, nach der ein im Jahr 2021 in Abzug gebrachter IAB für eine im Jahr 2022 tatsächlich erworbene und nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreite Photovoltaikanlage allein wegen des Inkrafttretens der Steuerbefreiung rückgängig zu machen ist. Er gewährte im Streitfall daher die Aussetzung der Vollziehung (AdV) und führte aus, dass weder § 7g EStG noch § 3 Nr. 72 EStG klare Vorgaben zur Behandlung eines IAB enthalten, der vor Inkrafttreten der Steuerbefreiung in Anspruch genommen wurde. Die Auslegung dieser Vorschriften sei vielmehr umstritten und durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.