Leitsatz
Durch das Gesetz zur Änderung des InvZulG 1999 vom 20.12.2000 wurde § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 um ein Kumulationsverbot zwischen Investitionszulage für den Bauherrn von Modernisierungsmaßnahmen an einem Gebäude und erhöhten Absetzungen für einen Erwerber des Gebäudes in das Gesetz eingefügt. Die Regelung sollte nach Verwaltungsauffassung klarstellenden Charakter haben und für ab 1.1.1999 abgeschlossene Modernisierungsmaßnahmen gelten. Das FG Nürnberg sieht dagegen in dieser Regelung eine belastende Gesetzesänderung, die erst ab 20.12.2000 gilt.
Sachverhalt
Der Antragsteller hatte im Jahr 2000, aber vor dem 20.12.2000 eine Modernisierungsmaßnahme an einem Wohnzwecken dienenden Gebäude abgeschlossen und dafür eine Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 beantragt. Das Gebäude wurde nach Fertigstellung der Modernisierung veräußert. Der Erwerber nahm für dieselben Modernisierungsmaßnahmen erhöhte Absetzungen (nach §§ 7h oder 7i EStG) in Anspruch. Das Finanzamt versagte daraufhin unter Verweis auf das zwischenzeitlich in § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999"klargestellte" Kumulationsverbot die Investitionszulage.
Entscheidung
Das FG ist im Gegensatz zur Finanzverwaltung und zur Gesetzesbegründung der Auffassung, dass die Änderung des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 gegenüber der vorherigen Rechtslage ein belastendes Gesetz darstellt. Es schreibe weder eine bisher praktizierte Rechtsüberzeugung fest, noch stelle es eine bisher bestehende Rechtslage klar. Die alte Gesetzesfassung enthalte nur ein Kumulationsverbot zwischen Investitionszulage und erhöhten Absetzungen beim Anspruchsberechtigten. Eine andere oder weitergehende Auslegung dieses klaren Gesetzeswortlauts käme nicht in Betracht, zumal es keineswegs sinnwidrig erscheine, auf das Verhalten des Investors und nicht auf das von diesem nicht beeinflussbare Verhalten des Erwerbers abzustellen.
Eine gesetzliche Regelungslücke sei im alten Gesetzeswortlaut ebenfalls nicht zu erkennen, so dass die Gesetzesänderung nicht lediglich als Klarstellung zu behandeln sei. Es handele sich vielmehr um eine belastende Gesetzesänderung, die einer differenzierten Regelung ihres zeitlichen Anwendungsbereichs bedurft hätte, um eine mit dem Grundgesetz nicht vereinbare Rückwirkung zu vermeiden. Für den Investor sei eine solche unzulässige Rückwirkung eingetreten, weil zum Zeitpunkt der Durchführung der Investition eine Rechtslage bestand, die mit Ablauf des Wirtschaftsjahrs einen Anspruch auf Investitionszulage hätte entstehen lassen. Dieser Anspruch habe auch eine für die Existenz eines Unternehmens u.U. ausschlaggebende Größenordnung gehabt. Insoweit sei dem Investor nach der Verfassung Vertrauensschutz zu gewähren.
Eine nach diesen Grundsätzen vorgenommene verfassungskonforme abändernde Lückenfüllung durch das Gericht müsse mit Rücksicht auf den verfassungsmäßig gebotenen Vertrauensschutz dazu führen, dass der Anwendungsbereich der Neufassung des Gesetzes auf die offenen Fälle beschränkt wird, in denen die Investitionen nach dem 20.12.2000 getätigt worden sind.
Hinweis
Die investorenfreundliche Entscheidung des FG deckt wieder einmal eine verfassungswidrige Rückwirkung einer belastenden Gesetzesänderung auf. Die behandelte Fallgestaltung dürfte auch nicht selten sein, weil vielfach in den Jahren 1999 und 2000 Modernisierungsmaßnahmen (z.B. von Bauträgern) durchgeführt wurden, die gleichzeitig die Voraussetzungen von Investitionszulage und erhöhten Absetzungen erfüllten. Soweit mit Rücksicht auf die vielfach günstigeren erhöhten Absetzungen ein Antrag auf Investitionszulage bisher unterblieben ist, sollte dieser nun mit Hinweis auf die FG-Entscheidung nachgeholt werden. Die Finanzverwaltung hat zwar gegen dieses Urteil Revision eingelegt (Az. des BFH: III R 27/03), so dass mit einem ablehnenden Bescheid zu rechnen ist. Ein Einspruch und Antrag auf Ruhen des Verfahrens in Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren sichert hier die Rechte der Investoren.
Link zur Entscheidung
FG Nürnberg, Urteil vom 08.04.2003, I 120/2002