Leitsatz
1. Das FG darf eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht durch die unter Verwendung der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen.
2. Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude im Hinblick auf die Verengung der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren und die Nichtberücksichtigung eines sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktors bei der Ermittlung des Gebäudewerts nicht.
3. Im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen, wenn es nicht ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt.
Normenkette
§ 7 Abs. 4 EStG, § 81 Abs. 1 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Grundstücksgemeinschaft, erwarb eine Wohnung (≪ 40 qm) in einer großen deutschen Stadt. Das Gebäude steht auf einem großen Grundstück. Die vertragliche Kaufpreisaufteilung (ca. 80 % Gebäude) übernahm das FA nicht, sondern ermittelte mit der Arbeitshilfe einen Gebäudeanteil von ca. 30 %. Das FG übernahm dieses Ergebnis und zeigte sich von dessen Richtigkeit überzeugt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.8.2019, 3 K 3137/19, Haufe-Index 13604116, EFG 2020, 182). Die Klägerin hat ein Gutachten nicht vorgelegt; das FG hat ein solches auch nicht eingeholt.
Entscheidung
Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das FG. Dieses muss nun ein Sachverständigengutachten einholen, wenn der Rechtsstreit nicht einvernehmlich beigelegt werden kann.
Hinweis
Nach der viel beachteten Beitrittsaufforderung (BFH, Beschluss vom 21.1.2020, IX R 26/19, BStBl II 2020, 278, BFH/PR 2020, 158) liegt nun die Entscheidung des BFH in der Hauptsache vor.
1. Vertragliche Aufteilung: Vor gerade einmal fünf Jahren hat der BFH beim Thema Kaufpreisaufteilung den Befreiungsschlag gesucht und sich dazu durchgerungen, eine vertraglich vereinbarte Kaufpreisaufteilung grundsätzlich zu akzeptieren, wohl wissend, dass die Verkäuferseite regelmäßig kein eigenes Interesse an einer sachgerechten Aufteilung des Kaufpreises hat und dass es deshalb insofern an dem bei Vereinbarungen zwischen fremden Dritten regelmäßig anzunehmendem Interessengegensatz fehlt. So bedurfte es im gleichen Atemzug umfangreicher "Sicherungsmaßnahmen": Eine "vereinbarte" Kaufpreisaufteilung kann danach nur zugrunde gelegt werden, wenn sie
(1) nicht zum Schein getroffen wurde und
(2) keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt und
(3) wenn das FG auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung von den das Grundstück und das Gebäude betreffenden Einzelumständen nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint (BFH-Urteil vom 16.9.2015, IX R 12/14, BStBl II 2016, 397, BFH/PR 2016, 60).
2. An dieser Rechtsprechung hält der Senat grundsätzlich fest.
a) Ein Befreiungsschlag war sie freilich nicht. Vor allem die dritte (kumulative) Voraussetzung verhindert in der Praxis, dass vereinbarte Kaufpreisaufteilungen die Erwartung erfüllen und von den Finanzämtern reibungslos akzeptiert werden. Zu Recht, denn wegen der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung muss grundsätzlich in jedem Einzelfall überprüft werden, ob nennenswerte Zweifel an der Angemessenheit der vereinbarten Aufteilung bestehen. Das bedeutet, dass zumindest jede "auffällige" Vereinbarung auf den Prüfstand kommt. Dabei ist der Vorgang relativ trivial: Für die Annahme nennenswerter Zweifel genügt in der Praxis eine erhebliche Abweichung vom Bodenrichtwert. Wie groß diese sein muss, um "nennenswert" zu sein, ist noch nicht abschließend geklärt. Auch das Besprechungsurteil bringt insofern nichts Neues. Eine Abweichung von rund 75 %, so der BFH, ist jedenfalls erheblich. Das FG durfte deshalb die vertragliche vereinbarte Aufteilung verwerfen.
b) Für die Kautelarpraxis bedeutet dies, dass Vereinbarungen über die Aufteilung des Kaufpreises steuerlich nur akzeptiert werden, wenn sie sich nicht allzu weit von den Bodenrichtwerten entfernen oder wenn handfeste Gründe angeführt werden können, die eine im Einzelfall auch erhebliche Abweichung rechtfertigen können. Der Besprechungsfall illustriert anschaulich, wie dies nicht gelingt. Die bloße Behauptung, das Gebäude sei das Werk einer "Stararchitektin" und die gute Verkehrsanbindung in der Großstadt sei eher ein Lagenachteil, waren dazu nicht geeignet.
3. Kann die vertragliche Kaufpreisaufteilung nicht zugrunde gelegt werden, bedarf es einer Bewertung. Dabei ist grundsätzlich geklärt: Das Gebäude einerseits und der Grund und Boden andererseits müssen unter Berücksichtigung der Umstände de...