Leitsatz
1. § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG ist dahin auszulegen, dass Mitgliedsbeiträge an eine gemeinnützige Körperschaft, die kulturelle Betätigungen fördert, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, auch dann nicht als Sonderausgaben abziehbar sind, wenn die Körperschaft daneben noch einen weiteren Zweck fördert, der nicht in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG genannt ist.
2. Die Rechtmäßigkeit der in den Körperschaftsteuer-Freistellungsbescheiden für die unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG fallenden Körperschaften regelmäßig enthaltenen Hinweise zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen kann im Wege der Feststellungsklage überprüft werden.
3. Für die Beurteilung von Feststellungsklagen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG maßgeblich.
Normenkette
§ 10b Abs. 1 Sätze 7 und 8 Nr. 2 EStG, § 48 Abs. 2, Abs. 4 Satz 2, Anlage 1 EStDV 2000, § 41 Abs. 1 und 2 FGO, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, der Volksbildung, Erziehung und Ausbildung sowie die Kunst im Bereich der Bläsermusik fördert und dabei u.a. ein Blasorchester für die Mitglieder unterhält. Er begehrte die Feststellung, dass er berechtigt sei, auch für Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen auszustellen. Seine Feststellungsklage hatte Erfolg, da das FG meinte, § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStGstehe dem Abzug von Mitgliedsbeiträgen nicht entgegen (FG Köln, Urteil vom 25.2.2021, 10 K 1622/18, Haufe-Index 14534221, EFG 2021, 1167).
Entscheidung
Die Revision des FA war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen erfolgreich. Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.
Hinweis
1. Zuwendungen an gemeinnützige Körperschaften können in den Grenzen des § 10b Abs 1 Satz 1 EStG steuerlich geltend gemacht werden. Handelt es sich dabei um Spenden, sind sie immer abziehbar. Anders ist die Rechtslage aber bei Mitgliedsbeiträgen: Diese können nach § 10b Abs. 1 Satz 8 nicht abgezogen werden, wenn sie u.a. an Körperschaften geleistet werden, die kulturelle Betätigungen fördern, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen.
2. Hintergrund dieser Differenzierung ist, dass Spenden begrifflich entscheidend durch ihre Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit gekennzeichnet sind, während es Mitgliedsbeiträgen infolge der rechtlichen Verpflichtung zu ihrer Zahlung zumindest an der Freiwilligkeit fehlt. Darüber hinaus wird in vielen Fällen ein Mitgliedsbeitrag auch in Erwartung einer – zumindest im wirtschaftlichen Sinne – Gegenleistung gezahlt werden.
3. Wie ist diese Vorschrift auszulegen, wenn die Körperschaft unterschiedliche Zwecke verfolgt, bei denen der eine Zweck den Abzug von Mitgliedbeiträgen erlaubt, der andere nur den Spendenabzug ermöglicht? Das FG war im Streitfall noch der Auffassung gewesen, es reiche für den Abzug von Mitgliedsbeiträgen aus, wenn einer der nicht untergeordneten Zwecke nicht der Freizeitgestaltung diene. Dieser Gesetzesauslegung erteilte der BFH eine Absage: Mitgliedsbeiträge sind bereits dann gemäß § 10b Abs. 1 Satz 8 EStGnicht abziehbar, wenn die Körperschaft auch kulturelle Betätigungen fördert, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen. Es kommt also nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß weitere den Abzug von Mitgliedsbeiträgen ermöglichende Zwecke verfolgt werden. Dieses Ergebnis hat der BFH sowohl dem klaren Wortlaut der Regelung, ihrer Entstehungsgeschichte sowie aus dem Normzweck entnommen.
4. Im Bereich der Förderung der Kunst und Kultur hat das Urteil die zwar nicht leicht nachvollziehbare, vom Gesetzgeber aber ausdrücklich gewollte Konsequenz, dass nach § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG"passive" Kulturfördervereine, die lediglich kulturelle Einrichtungen fördern, dadurch begünstigt werden, dass bei ihnen die Möglichkeit besteht, die Mitgliedsbeiträge abzuziehen, während Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die "insbesondere die aktiv ausgeführten eigenen kulturellen Betätigungen der Mitglieder (z.B. im Laientheater, Laienchor, Laienorchester)" fördern (so BT-Drucks. 16/5200, 16), vom Steuerabzug ausgeschlossen sind.
5. Das Urteil hatte zwar nur über § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG, d.h. die kulturellen Betätigungen, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, zu befinden. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum seine Aussagen nicht ebenso für die anderen Ziffern des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG Geltung beanspruchen können. Das bedeutet, dass auch Sportvereine (vgl. § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 EStG) den Abzug von Mitgliedsbeiträgen nicht dadurch erreichen können, dass sie beschließen, weitere Zwecke, wie z.B. die Jugend- und Altenhilfe, zu fördern.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.9.2022 – X R 7/21