Leitsatz
1. Aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolZG) 1995 n.F. ergibt sich kein Anspruch auf Festsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines rechnerisch auf das Körperschaftsteuerguthaben (§ 37 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes –KStG– 2002 n.F.) entfallenden Solidaritätszuschlags.
2. § 3 SolZG 1995 n.F. ist nicht insoweit verfassungswidrig, als er keine Festsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Solidaritätszuschlagguthabens auf das Körperschaftsteuerguthaben (§ 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F.) vorsieht (Abweichung vom Senatsbeschluss vom 10.08.2011 ‐ I R 39/10, BFHE 234, 396, BStBl II 2012, 603).
3. Das vor den Änderungen durch das SEStEG vom 07.12.2006 vorhandene "Solidaritätszuschlagsminderungspotential" stellt keine geschützte und dem Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes unterfallende Rechtsposition dar.
Normenkette
§ 37 Abs. 5 und 4 KStG 2002 vom 7.12.2006, § 37 Abs. 2 KStG 1999 vom 23.10.2000, § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 vom 15.10.2002, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Das FA setzte gegenüber der Klägerin, einer GmbH, den Anspruch auf Auszahlung des KSt-Guthabens gemäß § 37 Abs. 5 KStG i. d. F. des SEStEG vom 7.12.2006 auf 56.317 EUR fest; der jährliche Auszahlungsbetrag betrug 5.631,70 EUR. Die Klägerin beantragte die gesonderte Festsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines entsprechenden SolZ-Guthabens. Auf das festgestellte und ratierlich zur Auszahlung kommende KSt-Guthaben sei nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 SolZG 1995 n. F. ein Guthaben auf SolZ i. H. v. 3.097,44 EUR (= 5,5 % des Auszahlungsanspruchs aus dem KSt-Guthaben) zu berechnen und festzusetzen.
Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 5.12.2008 ab. Die dagegen gerichtete Sprungklage wies das FG ab (FG Köln, Urteil vom 9.3.2010, 13 K 64/09, Haufe-Index 2349892, EFG 2010, 1353).
Entscheidung
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter, das FA zum Erlass eines Bescheides zu verpflichten, mit dem ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des SolZ festgesetzt wird. Dieses Begehren hat der BFH nunmehr zurückgewiesen. Die Gründe dafür können den Praxis-Hinweisen entnommen werden.
Hinweis
1. In der Besprechungsentscheidung geht es allein um eine verfassungsrechtliche Problematik. Hintergrund dieser Problematik ist die Systemumstellung vom KSt-Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren. Die Entscheidung ist unmittelbar daher nur noch für Altfälle relevant, was aber nichts an der großen rechtlichen Bedeutung der Besprechungsentscheidung ändert.
2. Die genannte Systemumstellung haben den BFH und das BVerfG wiederholt beschäftigt. Dabei ging es um verschiedene Punkte der Übergangsbestimmungen in §§ 36 ff. KStG.
Die Besprechungsentscheidung betrifft die Grundentscheidung des Gesetzgebers, den SolZ zur KSt im sog. ausschüttungsunabhängigen System bei der Ermittlung des KSt-Guthabens nicht zu berücksichtigen.
3. Das "System der Systemumstellung" hat der Gesetzgeber wiederholt selbst korrigiert.
a) Zunächst schuf er Regelungen, die eine ausschüttungsabhängige "Auszahlung" des während des Anrechnungsverfahrens entstandenen KSt-Guthabens vorsah. Dies passte zum "alten" KSt-Anrechnungsverfahren, in dem der Belastungsunterschied zwischen dem höheren Thesaurierungssteuersatz und der niedrigeren Ausschüttungsbelastung auch erst bei einer Ausschüttung wirksam wurde.
b) Das ausschüttungsabhängige System der "Vergütung" des während des Anrechnungsverfahrens "angesammelten" KSt-Minderungspotentials stellte der Gesetzgeber sodann mit dem SEStEG 2006 auf ein ausschüttungsunabhängiges Auszahlungssystem um: Ausgehend vom verbliebenen Bestand des KSt-Guthabens wird ein Auszahlungsanspruch durch gesonderten Bescheid festgesetzt und über einen Zeitraum von zehn Jahren ratierlich ausgezahlt.
An dieser Stelle kommt die streitgegenständliche verfassungsrechtliche Problematik ins Spiel: Nach der klaren Entscheidung des Gesetzgebers kann allein das KSt-Guthaben ausgezahlt werden, nicht aber der SolZ zur KSt.
4. Der BFH erachtete die Nichtberücksichtigung des "Soli" bei der Feststellung des Auszahlungsanspruchs als verfassungswidrig und legte deshalb dem BVerfG das Verfahren im Jahr 2011 vor. Zehn Jahre später ging der Fall an den BFH zurück, nachdem das BVerfG die Vorlage des BFH als unzulässig erachtet hatte.
5. Die "Unzulässigkeitsentscheidung" des BVerfG enthält allerdings wichtige verfassungsrechtliche "Fingerzeige", die der BFH zu beachten hatte und die zu einer verfassungsrechtlichen Neubewertung führte.
6. Danach ist die Nichtberücksichtigung des "Soli" verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Für den Gesetzgeber gab es ausreichende Sachgründe, den SolZ "auszusparen". Zwei Punkte sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben:
a) So erscheint es dem BFH nicht als sachfremd, den bis zum 31.12.2006 bestehenden Konnex zwischen der veranlagten KSt und dem realisierten KSt-Guthaben aufzulösen. Denn aufgrund der fehlenden Gliederungsrechnung für den SolZ folgt die Un...