Leitsatz
Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte abänderbare Versorgungsleistungen sind dann nicht als dauernde Last (Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG) abziehbar, wenn sie nicht aus den erzielbaren laufenden Nettoerträgen des übergebenen Vermögens gezahlt werden können.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG , § 22 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Die Kläger sind zusammen veranlagte Ehegatten. Die Tante der Klägerin übertrug dieser ein Einfamilienhausgrundstück, das sie kurz zuvor käuflich erworben hatte. Im Zug der Übertragung der Immobilie verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der Tante, dieser bis zu deren Lebensende monatlich 3.000 DM zu zahlen. Die Klägerin erzielte fortan aus der Vermietung des Hauses monatliche Einnahmen von 1.500 DM.
Das Finanzamt lehnte den von den Klägern begehrten Abzug der an die Tante gezahlten Beträge als dauernde Last (Sonderausgabe) ab. Das Finanzgericht gewährte den Abzug.
Der zur Entscheidung über die vom Finanzamt eingelegte Revision berufene X. Senat des BFH legte dem Großen Senat des BFH die Frage vor, ob eine dauernde Last auch dann als Sonderausgabe abgezogen werden könne, wenn sie nicht aus den laufenden Erträgen des übergebenen Vermögens gezahlt werden könne. Der Große Senat verneinte dies (vgl. Leitsatz).
Entscheidung
Wiederkehrende Leistungen seien nur dann als Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG abziehbar und als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG zu erfassen, wenn die hiermit zusammenhängende Übertragung des Vermögens als unentgeltlicher Vorgang anzusehen sei. Die wiederkehrenden Leistungen dürften sich nicht als Gegenleistung für das übertragene Vermögen darstellen.
Versorgungsleistungen seien jedoch nur dann kein Entgelt für das im Gegenzug überlassene Vermögen, wenn die erzielten Nettoerträge des überlassenen Wirtschaftsguts im konkreten Fall – soweit bei überschlägiger Berechnung vorhersehbar – ausreichten, um die Versorgungsleistungen abzudecken. Maßgebliches Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer unentgeltlichen Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen sein könne, sei die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe müsse sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen – obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssten – als zuvor vom Übergeber vorbehaltene – abgespaltene – Nettoerträge vorstellbar seien.
Hinweis
1. Mit der Besprechungsentscheidung folgt der Große Senat der Auffassung des vorlegenden X. Senats (BFH, Beschluss vom 10.11.1999, X R 46/97, BStBl II 2000, 188), dass in den Fällen des sog. Typus 2 (vgl. BMF, Schreiben vom 26.8.2002, BStBl I 2002, 893, Tz. 17 ff.) ein Sonderausgabenabzug entgegen der bisherigen Ansicht der Finanzverwaltung auch dann nicht in Betracht kommt, wenn der "Wert des übertragenen Vermögens bei überschlägiger und großzügiger Berechnung mindestens die Hälfte des Kapital- oder Barwerts der wiederkehrenden Leistungen beträgt" (BMF, Schreiben vom 26.8.2002, BStBl I 2002, 893, Tz. 18). Diese sog. 50 %-Grenze spielt also fortan in den Fällen des "Typus 2" keine Rolle mehr.
2. Daneben bringt der Beschluss aber auch einige Erleichterungen gegenüber der früheren Rechtslage:
- Anders als bisher kann eine unentgeltliche Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen auch dann anerkannt werden, wenn sich der Übernehmer im Übergabevertrag verpflichtet, das übertragene ertraglose Vermögen (z.B. wertvolle Briefmarkensammlung) zu veräußern und vom Erlös eine ertragbringende Vermögensanlage (z.B. Mietwohngrundstück) anzuschaffen.
- Künftig kann auch die Übertragung von Geldvermögen, Wertpapieren und typischen stillen Beteiligungen zu Sonderausgaben beim Übernehmer führen, wenn die Erträge des übergebenen Vermögens zur Abdeckung der versprochenen wiederkehrenden Bezüge ausreichen. Dies ist m.E. zu begrüßen, weil die bisherige restriktive Sicht in Grenzbereichen zu unbefriedigenden Ergebnissen führte.
3. Für die Frage, ob die erzielbaren Nettoerträge aus dem übergebenen Vermögen ausreichen, um die vereinbarten Versorgungsleistungen zu bedienen, bedarf es einer Ertragsprognose. Hierbei ist nach Auffassung des Großen Senats auf die Verhältnisse bei Vertragsschluss abzustellen. In diesem Zusammenhang lässt der Beschluss des Großen Senats die Tendenz erkennen, dass bei einer solchen Ertragsprognose nicht kleinlich zu verfahren ist. So hat er die Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung, wonach es nicht zu beanstanden ist, wenn auf die Einkünfte des Jahres der Vermögensübergabe und der beiden vorangegangenen Jahre abgestellt wird (BMF, Schreiben vom 26.8.2002, BStBl I 2002, 893, Tz. 15), für zutreffend erachtet.
Daneben lässt der Große Senat aber auch den Nachweis zu, dass aus den im Zeitpunkt der Vermögensübergabe geringen Erträgen durch erfolgreiche Bewirtschaftung des Rechtsnachfolgers höhere Erträge zu erwarten sind (näher dazu Kempermann, DStR 2003, 2190, 2195). Für die Übertragung von Betriebsv...