Leitsatz
Wer weniger als 6 Monate in einer 2-Zimmerwohnung eines Bekannten ohne eigenes Zimmer unentgeltlich wohnt, gilt weder nach § 8 AO noch nach § 9 AO als Steuerinländer.
Sachverhalt
Eine griechische Staatsangehörige stellte am 6.11.2006 bei der zuständigen Familienkasse einen Kindergeldantrag für ihre beiden Kinder ab März 2006. Von dieser Zeit bis Ende Juni 2006 hatte sie in der 2-Zimmerwohnung eines Bekannten gewohnt und auf einem Sofa im Wohnzimmer unentgeltlich genächtigt. Ihre beiden Kinder befanden sich nur 2 Monate in dieser Wohnung. Ende Juni 2006 ist die Mutter ausgereist und ihren Kindern nach Griechenland gefolgt.
Entscheidung
Das Finanzgericht hatte den Kindergeldanspruch der Mutter verworfen, da sie keine Steuerinländerin gewesen ist. Gem. § 8 AO muss dazu eine Wohnung innegehabt werden, was eine tatsächliche Verfügungsgewalt voraussetzt (BFH, Urteil v. 26.2.1986, II R 200/82, BFH/NV 1987 S. 301). Der bloße Aufenthalt in einer Wohnung eines Bekannten reicht hierfür nicht aus. Die kostenlose Übernachtungsmöglichkeit und das Mitführen von lediglich einem Koffer an Kleidung füllen die Merkmale des Innehabens einer Wohnung nicht aus. Es waren auch sonst keine Umstände im Sachverhalt erkennbar, die darauf schließen lassen, dass die Klägerin die Wohnung beibehalten und nutzen wird. Ferner war die Sechsmonatsfrist des § 9 AO nicht erfüllt, da sich der Zeitraum des Aufenthalts beim Bekannten der klagenden Mutter nur von März bis Juni 2006 erstreckte. Für die Anerkennung dieser Zeitspanne schaden zwar kürzere Unterbrechungen des Inlandsaufenthalts nicht. Nach der Sachverhaltsermittlung des Gerichts lagen für den Zeitraum vor dem gesicherten Aufenthalt der Klägerin keine Erkenntnisse vor. Nach diesem Zeitraum reiste die Klägerin jedoch unstreitig aus, so dass dieser Zeitraum nicht auf die Halbjahresfrist der gesetzlichen Vermutung ausgedehnt werden konnte. Ferner konnten die von der Klägerin vorgelegten Arztrechnungen nur punktuell ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik belegen. Weitere besondere Umstände, die auf die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik hinweisen, waren nicht auszumachen.
Hinweis
Tendenziell liegt das Urteil im grünen Bereich: Der Bezug von Kindergeld setzt die Eigenschaft als Steuerinländer voraus. Wer, wie die Klägerin, weniger als 6 Monate in einer 2-Zimmerwohnung eines Bekannten unentgeltlich wohnt, ohne über ein eigenes Zimmer zu verfügen und dort bis auf Kleidungsstücke keine persönliche Habe aufbewahrt, wird nicht als Steuerinländer behandelt. Es liegt weder ein Wohnsitz nach § 8 AO noch ein gewöhnlicher Aufenthalt nach § 9 AO vor. Die Rechtsfrage, dass das bloße Übernachten bei einem Bekannten hierfür nicht ausreicht, hat das Gericht zutreffend beantwortet. Mit wenigen persönlichen Sachen lässt sich kein Wohnsitz begründen, insbesondere wenn der Gast über keinerlei Rechte an der Wohnung verfügt, etwa im Rahmen eines Untermietvertrags. Auch für einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 9 AO reichen die nachgewiesenen Sachverhaltsdetails nicht aus: Insofern agierte die Klägerin wohl ungeschickt, da sie eventuell im Zeitraum vor dem März 2006 einen Aufenthalt im Inland nachweisen hätte können. Bei einer sechsmonatigen Gesamtaufenthaltsdauer wird gesetzlich ein gewöhnlicher Aufenthalt vermutet, sodass die Klägerin dann mit ihrem Anspruch durchgedrungen wäre.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 02.04.2008, 9 K 1683/07