Leitsatz
Der Vorsteuerabzug für bürgerliche Kleidung des Unternehmers ist nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG ausgeschlossen, soweit es sich bei den hierfür aufgewendeten Beträgen um unverzichtbare Aufwendungen für die private Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG handelt (Anschluss an BFH-Urteil vom 16.03.2022 ‐ VIII R 33/18, BFHE 276, 120, BStBl II 2022, 614). Es bleibt offen, ob das Abzugsverbot nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG unionsrechtskonform ist.
Normenkette
§ 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG, Art. 176 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 3 Abs. 9a, Abs. 12 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
Sachverhalt
Der Kläger und zunächst auch die Klägerin waren als selbstständige Trauerredner und Trauerbegleiter tätig. Danach war die Klägerin im Betrieb des Klägers als Angestellte tätig. Beide zogen die für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von schwarzer Kleidung angefallene USt als Vorsteuer ab. Das FA versagte nach einer Außenprüfung den Vorsteuerabzug. Das FG hat die Klagen abgewiesen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.8.2018, 3 K 3278/15, Haufe-Index 12333227, EFG 2018, 1940).
Entscheidung
Der BFH wies die Revisionen als unbegründet zurück. Für die bürgerliche Kleidung des Arbeitnehmers folgt die Versagung des Vorsteuerabzugs aus § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG. Soweit es um die Kleidung geht, die der Kläger später seiner Ehefrau als Arbeitnehmerin überlassen hat, folgt dies aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Die von § 3 Abs. 9a UStG vorausgesetzte Leistungserbringung "für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen oder für den privaten Bedarf", und der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderliche Leistungsbezug "für sein Unternehmen" schließen sich nach Auffassung des BFH insoweit bereits nach dem Wortlaut dieser Vorschriften aus. Eine Leistung kann nicht für das Unternehmen bezogen sein und zugleich Zwecken außerhalb des Unternehmens oder privaten Zwecken dienen.
Vorsteuerabzug beim Unternehmer mangels Leistungsbezug für das Unternehmen fraglich
Spinnt man diesen Gedanken weiter, könnte man auch beim Unternehmer selbst auf den Gedanken kommen, dass auch bei ihm der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG mangels Leistungsbezug für das Unternehmen zu versagen ist (s. aber z.B. BFH, Urteil vom 13.4.1972, V R 135/71, Haufe-Index 425946, BStBl II 1972, 653; BFH, Urteil vom 18.12.1986, V R 176/75, Haufe-Index 61144, BStBl II 1987, 350; BFH, Urteil vom 30.4.1987, V R 154/78, Haufe-Index 61692, BStBl II 1987, 688; BFH, Urteil vom 15.3.1993, V R 18/89, BFH/NV 1993, 50, BStBl II 1993, 561; BFH, Urteil vom 27.10.1993, XI R 86/90, Haufe-Index 64693, BStBl II 1994, 274; BFH, Urteil vom 15.9.1995, V R 3/95, BFH/NV 1996, 273). Im Streitfall musste sich der BFH nicht zu diesem alternativen Ansatz äußern.
Hinweis
1. Mit dem Besprechungsurteil überträgt der BFH die Grundsätze des BFH-Urteils vom 16.3.2022 (BFH, Urteil vom 16.3.2022, VIII R 33/18, BFH/NV 2022, 842, BStBl II 2022, 614) auf die USt. Insoweit bringt es keine neuen Erkenntnisse. Die umsatzsteuerrechtliche Streitfrage, ob § 15a Abs. 1 UStG auf Art. 176 Abs. 2 oder Art. 176 Abs. 1 Satz 2 MwStSystRL gestützt werden kann, blieb offen, weil sich die Klägerseite nicht auf das Unionsrecht berufen hatte.
2. Eigenständig bedeutsam sind jedoch die Aussagen des BFH zur Versagung des Vorsteuerabzugs für bürgerliche Kleidung für Arbeitnehmer. Der BFH wendet darauf die "Betriebsausflug"-Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 9.12.2010, V R 17/10, BFH/NV 2011, 717, BStBl II 2012, 53) an. Den Vorteil der Arbeitnehmer für die Überlassung der Kleidung seitens des Arbeitgebers sieht er als nicht nebensächlich oder untergeordnet an (s. dazu auch BFH, Urteil vom 30.6.2022, V R 32/20, BFH/NV 2022, 1410). Einen tauschähnlichen Umsatz (s. dazu BFH, Urteil vom 30.6.2022, V R 25/21, BFH/NV 2022, 1258) hatte das FG verneint. Daran war der BFH gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.8.2022 – XI R 3/22