Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die ausschließlich durch ein (Regel-)Insolvenzverfahren verursachten Aufwendungen sind der privaten Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen zuzuordnen und daher nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften abziehbar. Dies gilt jedoch nicht für solche Aufwendungen, die zwar ihre Ursache in einer durch den Insolvenzverwalter durchgeführten Verwertungsmaßnahme haben, aber auch angefallen wären, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut außerhalb eines Insolvenzverfahrens veräußert hätte.
Hintergrund: Gesetzliche Vorgaben
- Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG. Dazu gehören gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt.
- Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften i.S.v. § 23 Abs. 1 EStG ist der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG).
- Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen.
Sachverhalt
Verwertung von Grundstücken durch Insolvenzverwalterin
Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der Klägerin aufgrund von Fremdinsolvenzanträgen das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzverwalterin verwertete im Streitjahr 2017 2 in den Jahren 2009 und 2010 erworbene, vermietete Mehrfamilienhäuser. Diesbezüglich erklärte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Einkommensteuerbescheid 2017 berücksichtigte das FA hiervon geringfügig abweichend einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im Jahr 2020 wurde das Insolvenzverfahren beendet. Einer Restschuldbefreiung bedurfte es wegen der vollständigen Befriedigung der Gläubiger der Klägerin aufgrund der Verwertung deren Vermögens im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht.
Im Juli 2021 beantragte die Klägerin den Abzug von "Kosten des Insolvenzverfahrens" als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften. Dies lehnte das FA ab. Einspruch und Klage waren erfolglos.
Klägerin verfolgt ihr Begehren im Revisionsverfahren weiter
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, es bestehe ein objektiver Veranlassungszusammenhang zwischen der Veräußerung der Vermietungsobjekte und den Kosten des Insolvenzverfahrens, da die Insolvenzverwalterin infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit schuldrechtlicher und dinglicher Wirkung für sie - die Klägerin - als Schuldnerin gehandelt habe. Im Übrigen sei der Fremdinsolvenzantrag eines der Gläubiger jedenfalls durch die Vermietungstätigkeit verursacht gewesen. Zudem bestehe ein subjektiver Veranlassungszusammenhang. Im hier vorliegenden - atypischen - Fall eines Insolvenzverfahrens trotz ausreichend Schuldnervermögens stehe die gleichmäßige Befriedigung nicht im Vordergrund. Vielmehr sei die Insolvenzverwalterin treuhänderisch im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses im Interesse der Klägerin als Schuldnerin tätig geworden, sodass die Handlungen der Insolvenzverwalterin ihrer einkünftebezogenen Sphäre zuzuordnen seien. Die vorliegende Situation sei mit der einer Zwangsverwaltung vergleichbar, deren Kosten abzugsfähig seien.
Entscheidung
BFH hebt Urteil des FG auf und verweist Sache zurück
Der BFH entscheidet, dass die Revision begründet ist. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Zwar ist dem FG zuzustimmen, dass eine steuerliche Berücksichtigung von Kosten des Insolvenzverfahrens als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften bzw. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich zu versagen ist. Dies gilt jedoch nur für solche Aufwendungen, die ausschließlich durch das Insolvenzverfahren veranlasst sind und keiner Einkunftsquelle zugeordnet werden können. Die hierzu erforderlichen Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Kein Werbungskostenabzug bei Veräußerungsgeschäften
Die von der Klägerin geltend gemachten, ausschließlich durch das Insolvenzverfahren veranlassten Aufwendungen können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften berücksichtigt werden.
- Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wurde durch die Verwertung der Vermietungsobjekte durch die Insolvenzverwalterin erfüllt. Zwar veräußerte die Klägerin nicht selbst, da sie die Befugnis, ihr Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, verloren hatte. Ihr sind jedoch die (willentlichen) Veräußerungen der Insolvenzverwalterin für steuerliche Zwecke als eigene zuzurechnen. Denn ein Insolvenzverwalter handelt steuerlich nicht auf eigene Rechnung, sondern als Vermögensverwalter (§ 34 ...