Leitsatz
Die Verschmelzung einer Organträgerin, die 87,5 % der Anteile an einer Organgesellschaft hält, die wiederum zu 100 % Anteilseignerin an grundstücksbesitzenden Gesellschaften ist, auf eine – bislang – außerhalb des Organkreises stehende neue Organträgerin unter Fortsetzung des Organschaftsverhältnisses führt weder zu einer Vereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) noch zur Übertragung (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG) aller Anteile an den grundstücksbesitzenden Gesellschaften.
Normenkette
§ 1 Abs. 3, § 1 Abs. 4 GrEStG
Sachverhalt
Die A-AG, eine Holdinggesellschaft, war zu 87,5 % an der B-AG beteiligt, die Alleingesellschafterin mehrerer grundbesitzender GmbHs und in die A-AG finanziell, wirtschaftlich und auch organisatorisch eingegliedert war. 12,5 % der Anteile hielt eine außenstehende Bank. 1996 wurde die A-AG auf die Klägerin verschmolzen. Das Organschaftsverhältnis blieb bestehen. Das FA nahm einen neuen Organkreis an und gelangte zu Erwerbsvorgängen gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 4 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG. Dem folgten weder das FG noch der BFH.
Entscheidung
Liegt eine Organschaft vor, werden für die Frage einer mittelbaren grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auch Beteiligungen mit einer geringeren Quote als 100 % (nunmehr 95 %) berücksichtigt. Das Organschaftsverhältnis ersetzt aber nicht die Voraussetzung, dass alle Anteile übergehen oder unmittelbar oder mittelbar vereinigt werden müssen. Das Abhängigkeitsverhältnis der B-AG zur Klägerin ist daher für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung der Verschmelzung ohne Bedeutung, weil die Beteiligung der nicht zum Organkreis gehörenden Bank durch die Verschmelzung unberührt geblieben ist.
Hinweis
Die bloße Begründung eines Organschaftsverhältnisses ohne jeglichen gleichzeitigen Anteilserwerb stellt keinen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG dar (so Hofmann, GrEStG, 8. Aufl. 2004, § 1 Anm. 170). Hinzu kommen muss ein Wechsel in der Inhaberschaft an den Anteilen an der grundbesitzenden Gesellschaft. Die Vereinigung der Anteile in der Hand von herrschendem und abhängigem Unternehmen – die Organschaft führt zu einer derartigen Abhängigkeit – ist ein besonders geregelter Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung, bei welcher das Abhängigkeitsverhältnis genügt und auf eine 100%ige Beteiligung des herrschenden an dem abhängigen Unternehmen verzichtet wird. Die Elemente der Mittelbarkeit sind gleichwertig.
Bei bereits bestehender Organschaft scheidet ein (erneuter) Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 GrEStG aus, wenn nur die von der beherrschenden Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft auf einen bisher Unbeteiligten übergehen, und zwar auch dann, wenn das Organschaftsverhältnis zu diesem fortgesetzt wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.7.2005, II R 30/04