Leitsatz

* 1. Das FG darf ein Verfahren betreffend ein abgetretenes Recht nicht gegen den Willen des FA aussetzen, um dem Zessionar die von diesem begehrte Einsicht in die Akten des gegen den Zedenten bestandskräftig abgeschlossenen Steuerfestsetzungsverfahrens zu ermöglichen.

2. Der Zessionar erwirbt einen durch Steueranmeldung festgesetzten Erstattungsanspruch, belastet mit dem Vorbehalt der Nachprüfung der Richtigkeit der Anmeldung. Er wird nicht Beteiligter eines etwaigen künftigen Verfahrens zur Änderung der festgesetzten Vorauszahlung bzw. des Jahressteuerbescheids.

3. Wird der Zessionar zu dem Steuerfestsetzungsverfahren gegen den Zedenten nicht hinzugezogen, so wirkt ein Umsatzsteuerbescheid gleichwohl auch ihm gegenüber Bestandskraft. Seine Hinzuziehung ist nicht nach § 360 Abs. 3 AO geboten.

4. Die von der Voranmeldung der Umsatzsteuer ausgehende Festsetzungswirkung entfällt, wenn sich aus dem Tenor oder der Begründung des Umsatzsteuerjahresbescheids die Fehlerhaftigkeit der Voranmeldung ergibt.

* Leitsatz nicht amtlich

 

Normenkette

§ 74 FGO, § 124 Abs. 2, § 360 AO, § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG

 

Sachverhalt

Dem Kläger war von einem Unternehmer ein von diesem in der Voranmeldung geltend gemachter Umsatzsteuererstattungsanspruch abgetreten worden. Das FA hatte ihn daraufhin an den Kläger (Zessionar) ausgezahlt.

Nach späterer Prüfung des Steuerfalls im Rahmen der Festsetzung der Jahresumsatzsteuer hielt es jedoch den für die angemeldete Erstattung verantwortlichen Vorsteuerabzug für nicht berechtigt und berücksichtigte ihn bei der Jahresfestsetzung nicht. Der dazu ergangene Umsatzsteuerbescheid wurde bestandskräftig.

Der Zessionar war zu dem Festsetzungsverfahren nicht hinzugezogen worden. Von ihm wurde jedoch der Erstattungsbetrag zurückgefordert, weshalb er Klage erhob. Außerdem bemühte er sich – schließlich ebenfalls klageweise – um Einsicht in die Umsatzsteuerakten des Zedenten, um nachzuweisen, dass der Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei.

Er beantragte, das Rückforderungsverfahren auszusetzen, bis über den Akteneinsichtsanspruch rechtskräftig entschieden sei.

Das FA trat diesem Antrag entgegen. Gleichwohl setzte das FG das Verfahren nach § 74 FGO aus.

 

Entscheidung

Der BFH hat den Aussetzungsbeschluss auf Beschwerde des FA aufgehoben. Er hat keine Rechtsgrundlage. Denn das Gericht darf die Aussetzung nur dann anordnen, wenn die von ihm zu treffende Entscheidung von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.

Ob dies auch ein Rechtsstreit wegen der Einsicht in Akten sein kann, aus denen der Kläger für seinen Rechtsstreit behilfliche Erkenntnisse zu gewinnen hofft, hat der BFH offen gelassen. Denn wegen Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung könne der Kläger solche Erkenntnisse jedenfalls nicht erwarten.

 

Hinweis

1. Niemand kann mehr Rechte übertragen als er selbst besitzt! Der Zessionar erwirbt folglich einen auf einer Steueranmeldung beruhenden Erstattungsanspruch, belastet mit dem Vorbehalt der Nachprüfung und der Möglichkeit einer Änderung der Steuerfestsetzung.

2. Kommt es zu einer solchen Nachprüfung, ist der Zessionar an dem Verfahren, das allein den Zedenten (rechtlich) betrifft, nicht beteiligt; er muss auch nicht nach § 360 Abs. 3 AO bzw. § 60 Abs. 3 FGO hinzugezogen (notwendig beigeladen) werden. Er hat also keine Möglichkeit, den Bestand der ihm abgetretenen Forderung des Zedenten zu verteidigen. Wird die diesbezügliche Festsetzung geändert und nimmt der Zedent dies hin, muss der Zessionar also die Bestandskraft des Änderungsbescheids gegen sich gelten lassen!

3. Eine Umsatzsteuervoranmeldung erledigt sich durch das Ergehen des Umsatzsteuerjahresbescheids gem. § 124 Abs. 2 AO. Allerdings ist auch nach Ergehen des Umsatzsteuerjahresbescheids auf die in einem Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid getroffenen Regelungen abzustellen, soweit von diesen fortwirkende Rechtswirkungen ausgehen, wie bei einer Abtretung des Vorauszahlungsbetrags (vgl. BFH, Urteil vom 2.2.1995, VII R 42/94, BFH/NV 1995, 853).

4. Ergibt sich hingegen aus dem Tenor oder der Begründung des Jahresumsatzsteuerbescheids die Fehlerhaftigkeit der Voranmeldung, so fallen diese Rechtswirkungen fort, ohne dass es der förmlichen Änderung der Vorauszahlungs-Festsetzung bedarf. Einen aufgrund der unrichtigen Voranmeldung ausgezahlten vermeintlichen Erstattungsbetrag kann das FA also ohne Änderung der betreffenden Festsetzung nach Ergehen eines solchen Jahresbescheids zurückfordern. Dem steht nicht entgegen, dass es im Rückforderungsverfahren lediglich auf die sog. formelle Bescheidlage (nicht auf die materielle Berechtigung) ankommt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 26.1.2006, VII B 327/05

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge